Wir wird hier zu ich, denn diesmal sind wir solo unterwegs, um die aufziehenden Schatten zu bekämpfen und unsere Heimat das strahlende Licht zurückzubringen. Im Roll & Write Abenteuerspiel von Horst Bauer und Benjamin Schultz wird es komplex aber nicht wirklich kompliziert.

Wie das Messeleben so spielt. Eigentlich hatte ich weder den Kleinverlag Boardgame Racoon noch deren Neuheiten auf dem Schirm. Solospiele sind nicht mein bevorzugtes Genre und bei ambitionierten Herzensprojekten ohne erfahrene Redaktion dahinter habe ich mir eine gewisse Skepsis aus leidigen Erfahrungen antrainiert. Meine SPIEL 23 Begleiterin hatte das Spiel allerdings auf ihrer Liste und so konnte ich nicht nur der sympathisch-eloquenten Spielvorstellung direkt vom Co-Autor Horst Bauer lauschen, sondern auch meine Vorurteile beiseite schieben.

Vier Charaktere, sechs Erzählungen und eine durchgehende Geschichte sind die Eckpunkte des Spiels. Als Print and Play gestartet, haben wir hier eine professionelle Ausstattung vorliegen. Da die Schachteln nicht zeitig gedruckt waren, damals nur im Zipp-Beutel. Wer das Spiel allerdings im Jahr 2024 und damit ein paar Monate nach der Erstveröffentlichung für schlanke 25 Euro direkt beim Kleinverlag Boardgame Racoon bestellt, bekommt auch die Schachtel dazu.

Mit einem abwischbaren Stift und umweltfreundlich hergestellten Hartschaumplatten ausgestattet, beginnen wir unser Abenteuer. Wir erfüllen Aufgaben, indem wir überlegt Würfel kombinieren, manipulieren und zu unseren Vorteilen einsetzen. Wir haben es hier mit einem Roll & Write Vertreter zu tun, der allerdings durchaus komplexer daherkommt. Das BGG-Komplexitäts-Rating von 3,75 auf der 5er-Skala bestärkt uns dabei in unserem Ersteindruck. Das wird also keineswegs ein Spaziergang werden – gut so.

Das jeweilige Szenario gibt unser Ziel vor. So gilt es für uns im Lern-Szenario, in Person des Bauernmädchens Mara, die vom Schatten besessene Kreaturen zu besiegen, dabei Opfer zu minimieren und schliesslich nach Brachtwacht zurückkehren. Wir reisen also durch die Lande und kämpfen gegen erste Schattenwesen wie Wespen und Spinnen. Durch unsere Entscheidungen verändern wir die Spielwelt, was langfristige Auswirkungen auf die weiteren Szenarien hat, sofern wir unsere Abenteuer als Kampagne aus unterschiedlichen Perspektiven erleben wollen. Dabei wechseln wir pro Szenario unseren Charakter, der in dieser, hoffentlich zu unserem Gunsten veränderten, Spielwelt unterwegs ist. So dass wir am Ende schliesslich mit dem vermeintlich schwächsten Charakter, dem Bauernmädchens Mara, die Kampagne erfolgreich beenden können.

Wer jetzt erwartet hat, dass ich den Spielverlauf im Detail wiedergebe, den verweise ich auf das kostenfreie Print and Play. Einfach das Einführungsabenteuer herunterladen, auf zwei A4-Seiten getrennt ausdrucken, sechs W6-Würfel organisieren und mit Stift und Meeple geführt den Prolog spielen. Dann könnt Ihr auch für Euch entscheiden, ob Euch diese Art von Solo-Spielen liegen. Probiert es aus und bildet Euch Eure eigene Meinung.

Meine ersten Gehversuche mit dem Prolog-Abenteuer waren interessant anders, weil wir hier ein Abenteuerspiel haben, das einerseits eine Geschichte erzählt, die wir selbst gestalten. Auf der anderen Seite haben wir die Herausforderung, mit dem zufälligen Würfelwurf das Beste in der jeweiligen Situation für uns herauszuholen und Effekte freizuschalten, die uns später noch helfen werden. So bewegen wir uns zwischen Zufall und Planung, auf der Grenzlinie zwischen Amitrash und Eurogame. Und das alles mit den bewusst reduzierten Komponenten eines Roll and Write, die aber dennoch gut aussehen wie die Charakter-Figuren in ihren Plexiglas-Aufstellern, die somit keine Spielplandetails verdecken. Durchdacht und für ein ambitioniertes Herzensprojekt einen Blick oder gar Kauf wert. Anspielen und selbst entscheiden!