Wenn der Sheriff tot ist, dann müssen unsere Dörfler das Gesetz selbst in die Hand nehmen. Townsfolk Tussle von Frosted Games liegt auf meinem Tisch und will entdeckt werden. Mitkommen und mitschauen, was so alles in der Schachtel steckt.
Mit Kingdom Death Monster wurde das Genre der Boss-Battler begründet, so sagte es zumindest BoardGameGeek und vergisst dabei, dass Hero Quest aus dem Jahr 1989 auch schon einen Endgegner hatte, den wir gemeinsam besiegen wollten. Das Genre ist also alt und hat sich seitdem in diversen Spielarten weiterentwickelt. Der düstere Fiebertraum Kingdom Death Monster (kurz gesagt KDM) hat zumindest gehörig Einfluss auf Townsfolk Tussle genommen und auch einige Anspielungen hier hinterlassen – ich sag nur „Scherbe der Gründer“ und kichere vergnügt wegen der kuriosen Illustration auf der Ausrüstungskarte.
Mein Kichern zieht sich durch das ganze Auspacken und Einsortieren. Das ist der Grundtenor des Spiels und so möchte es auch verstanden werden. Keine bierernste Angelegenheit, sondern ein Bier & Brezel Boss-Battler, den ich im Gegensatz zu KDM in geselliger Runde an einem Abend durchspielen und dann auch wieder wegpacken kann. Ohne dass ich meine Mitspieler und mich noch für unzählig weitere Spielsessions verpflichten müsste.
Vor der ersten Partie steht allerdings erst einmal das Paket auf meinem Tisch. Townsfolk Tussle bringt in der deutschsprachigen Version von Frosted Games stolze 4,5 Kg auf die Waage. Passt dabei in ein typisches Kallax-Expedit-Regal und nimmt dort knapp ein halbes Fach ein. Ein ordentlicher Brocken an Spiel. Den Auspackvorgang hat mir Frosted Games mit einem „Apple Flavour“ Lutscher versüsst. Beigepackt zum Grundspiel. Ich hätte zwar Kirschgeschmack erwartet, aber die Fruchtart ist wohl Zufall und lädt zum Sammeln ein. Einfach noch ein Frosted Games bestellen und auf Kirsche hoffen. Dazu gesellt sich auch ein Werbeblatt, dass mich animieren soll, die zwei kommenden Erweiterungen zu bestellen. Zu spät, die habe ich mir schon gegönnt und bin gespannt, was mich gegen Jahresende mit „Neue Nachbarn“ und „Toller Trödel“ erwarten wird.
Das Grundspiel, für aktuell 145 Euro im Frosted Games Shop oder zu Marktpreisen bei Eurem lokalen Brettspielhändler, sollte aber ausreichend viel für die ersten Spielpartien bieten. Wer sich ein wenig mehr Luxus gönnen will, dem empfehle ich das optionale Münzset für 33 Euro mit 60 wuchtigen und ebenso schicken Metallmünzen, welche die Pappcounter-Münzen des Grundspiels ersetzen. Meine Kings & Queens Brettspiel-Pokerchips weinen deshalb zwar leise, aber ich mag optisch passendes Spielgeld mehr als generische, wenn auch weiterhin haptisch schöne, Pokerchips. Keine Sorge, ihr kommt auch mal wieder zum Einsatz – irgendwann bei einer 18xx-Partie oder so.
Geographisch eingeordnet sind wir im Vierfingerlande unterwegs. Im Südwesten davon liegt das Dorf Heureka. Unsere Heimat, die einen erstaunlich grossen Friedhof hat. Warum ich das alles weiss? Die beiliegende A3 grosse Karte sorgt für Übersicht. Ob die uns noch mehr Abenteuer oder Erweiterungen oder sonstige Spielbezüge verspricht? Ich bin genauso gespannt wie Ihr. Hier zeigt sich aber schon mal der erste Vorgeschmack auf die wirklich gute Materialqualität – matt bedrucktes dickes Papier, dabei ausreichend farbintensiv und mit einem angenehm leinenartigen Griff.
Die 36 seitige Anleitung wirkt umfangreich, hat aber viele bebilderte Beispiele und Übersichten. Allerdings solltet Ihr gute Augen oder Eure Lesebrille dabei haben, denn spätestens bei der kompakten Übersichtsseite der Begriffs-Defintionen ist die gewählte Schriftgrösse recht klein. Wer noch problemlos alle Inhaltsstofflisten im Supermarkt lesen kann, ist hier gut dabei. Eine weitere Seite ist zudem für die Spielvarianten reserviert – ein verkürzter 3-Runden-Modus, Solo-Partien, mit doppelten Dörflern zu zweit oder mit gemeinsames Beutelager lässt Euch das Spiel offiziell anpassen, fernab jeder Hausregel.
Ein Plastikinlay mit herausnehmbaren Münz- und Würfel-Spender erfreut ebenso mein Spielerherz, wie die Dörfler-Tableaus als Double-Layer, damit keine Statusmarker aus Holz dort verrutschen. Alles schön dicke Pappe und ebenso matt bedruckt wie der Spielplan und die vielen, arg vielen Karten. Ob ich diese Summe von 306 im Standard-Format und nochmals 355 Ausrüstungs- und Heldentat-Karten im quadratischen 63,5 mm Format wirklich in Kartenhüllen packen möchte, ist für mich noch eine offene Entscheidung. Zumal es das Quadratformat nicht in matt gibt. Also erst mal die erste eigene Testpartie abwarten, wie oft die wirklich gemischt und hin- und hergeschoben werden.
Wer keine grauen Plastikminiaturen mag, auch wenn diese für ein Brettspiel ausreichend detailreich modelliert sind, kann auf die alternativen Pappaufsteller zurückgreifen. Doppelseitig mit illustrierter Vorder- und Rückseite der Charaktere und mit Plastikfuss, der getestet die Pappe nicht zerschneidet oder aufrubbelt – wie so manches Fantasy Flight Games Spiel damals.
Im Vergleich zu den vielen Plastikminiaturen (7 Dörfler für uns Spieler und 12 Bösewicht-Figuren als Gegner) fallen die Pappcounter schon überschaubarer aus. Da gibt es vor allem doppelseitige Terrain-Plättchen und diverse Marker für uns Spieler und die jeweiligen Bösewichter. Wer das optionale Metallmünzen-Set hat, der braucht die Pappmarker nicht.
Griffmulden auf den Stanzbögen sind zwar nur eine Kleinigkeit und habe ich genau einmal genutzt, um diese aus der Schachtel zu heben. Aber genau diese Kleinigkeiten zeigen mir, wie viel Sorgfalt in das Spiel geflossen ist. Ob es spielmechanisch für mich was taugt und den erhofften Spielspass bringt, muss sich hingegen noch zeigen. Überzeugendes Spielmaterial ist nicht alles, aber schon mal ein guter Anfang und der ist hier gemacht.
Um das Ende meiner Auspackreise einzuläuten, der vor-vor-letzte Hinweis, dass alles ausgepöppelt auch wieder gut in die Spieleschachtel seinen Platz findet. Einsortiert dank Kartentrenner und ausreichend Inlay-Fächer. Ein Inlaydeckel sowie Abstandshalter sorgen dafür, dass alles auch einen Woanders-Einsatz überleben wird. Allerdings habe ich es bisher noch nicht gewagt, die gefüllte Spieleschachtel umzudrehen. Ok, für Euch. Ausprobiert. Es rumpelt zwar ein wenig, aber ein erster Check zeigt, dass nichts lose durch die Gegend geflogen ist. Eine Hochkantlagerung sowie ein solcher Transport zum nächsten Spieletreff ist also möglich.
Ach ja, das Spiel habe ich mir selbst gekauft. Kein Rezensionsexemplar und auch keinerlei finanzielle oder sonstige Unterstützung vom Verlag oder Dritten. Alles hier meine unbeeinflusste subjektiv selbstgeformte Meinung. Hand drauf – wir sehen uns am Spieltisch wieder.