Das neue Expertenspiel von Stefan Feld und Viktor Kobilke bringt ganz eigene Herausforderungen mit sich. Nicht nur ein Schwergewicht vom Regelumfang, sondern auch vom Material und wie das Material eingesetzt wird. Wir bauen uns eine in Spalten unterlappende Kartenmatrix in unsere Papp-Konsole.
Ich bin ein grosser Fan von Kartenhüllen. Die Karten sind vor unregelmässiger Abnutzung und ekligen Handschweiss geschützt. Die Ecken und Kanten weichen und blättern nicht auf. Kerben durch scharfe Fingernägel sind ausgeschlossen. Zudem kann ich solche Karten schlicht einfacher und schneller mischen, indem ich zwei Stapel über Eck ineinander schiebe. Ein paar Mal wiederholt und fertig.
Allerdings muss für mich die Qualität der Kartenhüllen stimmen. Also nicht zu dick, so dass sich der Kartenstapel nicht unnötig aufbläht und droht, aufgrund seiner Höhe einzustürzen oder den Blick aufs Spielmaterial verdeckt. Aber auch nicht zu dünn, so dass sich die Kartenhülle knittert und wellt. Damit nichts spiegelt, sollte so eine Kartenhülle matt sein. Und kleben sollten die Kartenhüllen auch nicht, wie so manche Billigmarken.
Hohe Ansprüche und mit den Boardgame Sleeves von Arcane Tinmen in matt habe ich nach langer Suche meine bevorzugte Sorte gefunden. Mit 80 Mikron (0,08 mm) genau die für mich passende Dicke, ohne schlabbrig zu sein. Durch das matte Material nimmt die Brillanz der Kartenillustration zwar ein wenig ab, aber es spiegelt nichts. Die Grösse ist auch über verschiedenen Produktionschargen gleich. Nur nicht ganz billig im Einsatz. Als Pluspunkt bringen diese Kartenhüllen ihren eigenen Kartenschuber mit – ideal zur sortierten Aufbewahrung in der Spieleschachtel. Die kann man zwar auch als angeschrägt stehende Kartenspender verwenden, aber in meiner Spielpraxis bilde ich lieber Kartenstapel wie vorgesehen.
Dann kam Civolution. Das neue Expertenspiel vom Autor Stefan Feld und redaktionell betreut von Viktor Kobilke. Das ist schon ein Brocken an Spiel und mit einem UVP von 89,99 Euro im oberen Preissegment der Eurogames eingeordnet. Eine Menge drin in der Kiste und auch 192 Karten für den Mehrspielermodus. Also spontan mal meine bevorzugten Kartenhüllen ausprobiert. Arcane Tinmen in matt, hier die grüne Schachtel, also „Medium“. Die Karte passte, hatte nur ein wenig Luft an den Seiten und nach oben. Perfekt. Nur mit Kartenhülle passte die dann in Originalausrichtung mehr in das Kartenbox-Inlay zurück. Schade.
Also einen intensiveren Kartenhüllentest veranstaltet: Mayday Games glossy in dünn als Standard USA passen gerade so eben, weil die eine gewisse Tolerenz haben. Die sitzen stramm, aber ohne sich durchzubiegen. Allerdings gibt es dabei keinerlei Kartenhüllenrand zur offenen Seite. Die Karten sind also von oben nicht geschützt. Die Qualität dieser dünnen Hüllen ist sowieso nicht so toll, weil die spiegeln und sich zudem leicht wellen. Von der Hüllenlänge passen die allerdings in das Kartenbox-Inlay. Gut, aber eigentlich egal, wenn mir die nicht zusagen.
Die Kartenhüllen der Premium-Version von Mayday Games glossy Standard USA sind hingegen zu eng. Mit ganz viel Geduld und Gewalt könnte man da eine Karte in die Hülle quetschen, will ich aber nicht. Da sind anscheinend die gegebenen Materialtoleranzen nicht so gross wie bei der dünnen Version, die deshalb passgenau war.
Alle anderen ausprobierten Kartenhüllengrössen anderer Hersteller passen entweder nicht zu den Civolution-Karten oder entsprechen genau der Grösse von Arcane Tinmen matt Medium (grüne Schachtel). Einzig die von FFG sind nochmals etwas länger an der offenen Seite.
Im Direktgleich gefallen mir von der Haptik und Optik die Arcane Tinmen matt besser. Also 192 Karten in Kartenhüllen gepackt. Vorschnell, wie sich dann noch zeigen sollte. Zwar konnte ich einen Teil der Karten in 90 Grad gedrehter Ausrichtung im Kartenbox-Inlay unterbringen und den Rest in zwei der Arcane Tinmen Kartenschuber und der Deckel der Spieleschachtel schloss bündig, aber ich hatte ganz übersehen, wie die Karten im Spiel verwendet werden.
Jeder Spieler hat seine Pappkonsole, auf der diverse Marker und Plättchen gelagert werden. In der mittleren Ausbuchtung ist Platz für Karten gelassen. Die werden dort halb untergeschoben und bilden Reihen und Spalten. Die unterste Reihe kann vier Karten nebeneinander fassen und ist nachgemessen genau 22,7 cm breit. Somit hat jede Karte dort 5,67 cm Platz in der Breite, was bei einer Kartenbreite von 5,6 cm auch gut passt.
Nun kommen aber die Kartenhüllen ins Spiel und damit ist eine einzelne Karte plötzlich wie unerwartet 6,0 cm breit. Schnell im Kopf überschlagen 4 x 6 = 24 – das passt nicht auf die 22,7 cm zur Verfügung stehende Breite der Konsole. Was soll’s, dann überlappen sich die Kartenhüllenränder halt ein wenig. Ja, kann man machen, nur wird es dann ein wenig umständlich, die Karten nebeneinander auszurichten, so dass die alle noch in ihren Effekten lesbar bleiben. Da zudem die Karten in mehreren Reihen untereinander gesteckt werden und die Kartenhüllen oben offen sind, musste ich aufpassen, die neue Karte nicht halb in die schon liegende Kartenhülle zu stecken. In Summe alles nicht so schön wie erhofft.
Kurz gesagt: Ein kurzer Test zeigt, ohne Kartenhüllen ist für mich Civolution besser spielbar. Zwar fallen dann alle Vorteile der Kartenhüllen weg, aber damit muss ich mich abfinden. Da nur zu Spielbeginn die einzelnen Kartenstapel gemischt werden und man die dann aufnimmt und beim Ausspielen in seine Pappkonsole spielt und die dort bis zum Spielende auch liegen bleiben, sollte sich die Abnutzung in enge Grenzen halten. Bei einem Spiel, was laut Schachtelaufdruck 90 bis 180 Minuten dauert, auch kein Vertreter seiner Art, wo dauergemischt wird. Und sollte dennoch mal eine einzelne Karte erkennbaren Schaden im Spiel nehmen, gibt es immer noch den Pegasus-Ersatzteilservice.
Somit werde ich nun alle 192 Karten wieder von ihren Kartenhüllen befreien. Das hat zudem den Vorteil, dass die ganzen Karten auch, wie vom Verlag vorgesehen, in ihr Kartenbox-Inlay passen. Tja, nicht jedes Brettspiel profitiert von Kartenhüllen und ob man nicht sowieso angenehmer ohne Plastikummantelungen spielt, ist dann nochmals eine weitere Frage, die aber jeder für sich klären muss. Eines weiss ich inzwischen, spät aber sicher: Civolution funktioniert ohne Kartenhüllen für mich besser.