Spielerfahrungen sind subjektiv und stets abhängig von der Gruppe, der Laune und der Tageszeit. Verallgemeinern lässt sich da wenig bis nichts. Nach vier verschiedenen Spielrunden mit Ratjack zeichnet sich allerdings eine Gemeinsamkeit ab.

Kennt Ihr das auch? Eigentlich wollt Ihr ein Spiel gerne mögen. Doch nach jeder weiteren Partie stellt sich eine gewisse Ernüchterung ein. Es ist gewiss kein schlechtes Spiel, nur leider nur das Spiel, was Ihr erwartet und Euch erhofft habt. Ganz genau so erging es mir mit Ratjack von Frosted Games. Die Grundidee klang clever, das Material hochwertig und der Verkaufspreis völlig ok. Beste Voraussetzungen, die sich in allen meinen bisherigen Partien in unterschiedlichen Spielrunden nicht erfüllt haben.

Ein Erklärungsversuch: Jedes Kartendeck von Ratjack mit seinen 12 Karten bringt eigene Eigenschaften mit. Um nicht über 24 verschiedene, sondern nur über deren 12 Kartenaktionen den Überblick zu behalten, sind wir dem Rat in der Anleitung gefolgt und haben zunächst das identische rote und blaue Kartendeck kombiniert. Somit ergeben sich zwar einige durchaus spannende Aktionsmöglichkeiten der beiden anderen Kartendecks nicht, aber lieber ein stolperfreier Einstieg in eine Spielneuheit als Überforderung.

Tja und diese Überforderung zeigte sich dann das erste Mal bei den Übersichtskarten der Decks. Zwar hat jeder seine eigene davon, nur wollen 12 Aktionen erklärt werden und das Kartenformat bedingt dazu eine arg kleine Schrift. Zu klein, um die entspannt in meinem fortgeschrittenen Spieleralter lesen zu können. Also weg mit dem atmosphärischen Schummerlicht eines Casinotisches und her mit der Flutlichtausleuchtung. Dazu noch die Lesebrille auf und schon kann es losgehen.

Ich empfehle Euch deshalb, die Deckübersichten in A5-Größe auszudrucken. Wird nicht jeder brauchen, ist aber entspannter, wenn Ihr die direkt griffbereit habt. Denn die Übersicht der möglichen Kartenaktionen solltet Ihr im Blick haben. Besonders wenn die vor den Mitspielern ausliegen und deshalb aus der Entfernung nicht immer lesbar sind. Zumindest wenn Ihr den Anspruch habt, Ratjack taktisch zu spielen und nicht im zufälligen Blindflug. Soweit mein eigener Bastelbeitrag, der allerdings nicht der einzige bleiben sollte.

Ratjack fokussiert sich auf den Zahlenraum von 0 bis 25. Die Summe von 25 wollen wir erreichen, um die Runde vorzeitig zu gewinnen. Klingt einfach, ist es aber nicht, eben weil man seine Kartensumme durch verdeckte Karten, ausgespielte Handkarten und Chips manipulieren kann. Und dann gibt es auch noch die Kartenauslagen der Mitspieler, die ebenso im Blick behalten werden wollen und ebenso durch Karteneffekte manipuliert werden können. In erlebter Summe sorgte das in meinen Spielrunden für ein stockendes Spielerlebnis. Irgendwo zwischen verwirrt und überfordert bis planlos. Locker leicht wie Love Letter, das gerne als Vergleich genommen wird, da man ebenso zwei Karten auf der Hand hat, spielt sich Ratjack nicht.

Um meine Mitspieler nicht noch weiter zu verwirren, nutze ich für eine komplette Partie die anfangs zufällig bestimmte Chipauslage. Die Anleitung gibt zwar vor, dass man die nach jeder Runde neu zusammenstellen soll, nur geht meiner Meinung nach damit der Fokus auf die Karten und ihre Aktionen verloren, wenn ich nochmals neue Regeldetails nachschieben muss. Sind die Mitspieler regelfest mit den verwendeten Kartendecks, hat es sich dennoch bewährt, die Chipauslage regelkonform durchzumischen. Ansonsten drohten erlebte langweilige Schieflagen des Spielgeschehens, wenn dauerhaft nur Minus-Chips ausliegen und man nur mit hohen Kartenzahlen in die Nähe der 25 kommt.

Leider gibt es keine Übersichtkarte der Chips, auf denen die Bedeutung der Symbole erläutert ist. So lag bisher immer die Anleitung mit auf dem Spieltisch und nicht selten wurde dort halb verstohlen rübergeblickt, um sich zu versichern, dass das Schloss-Symbol richtig verstanden wurde und nicht mit dem Schild in seiner Funktion verwechselt wurde. Ein kleiner Stolperstein, aber ein vermeidbarer, wenn man vorab seinen Bastelbeitrag geleistet hat und sich selbst eine Chip-Übersicht erstellt. Gerne auch im A5-Format, um alles lesen zu können.

Was bleibt? Ratjack ist bisher nur mittelmäßig angekommen. In Schulnoten ausgedrückt wohl eine 3+. Tolles Material, abwechslungsreiche Partien. Überraschend, manchmal auch etwas fies, durchaus spannend. Nur dann folgt ein gewisses „Aber“. So wurde in allen meiner Spielrunden Ratjack zwar als interessant, aber auch mühsam angesehen. Wer zielgerichtet statt zufällig spielen will, muss eben Zahlenwerte im Kopf summieren und abschätzen können, was potenzielle Chips daran modifizieren und verbessern könnten. Diese Kopfrechenarbeit mag nicht jeder. Zudem möchte man seine verdeckt liegenden Karten auch noch im Kopf behalten, ohne ständig nachschauen zu müssen. Und was wurde da gerade eben vom Ablagestapel gezogen? Die Merkfähigkeit ist zusätzlich gefordert. In Folge war dann nach einer 3er- oder 4er-Partie, die immer weit länger als die aufgedruckten 20 Minuten Spielzeit ging, keine Lust für eine Revanche vorhanden. Schade eigentlich.

Mein Fazit: In leicht übermüdeter Runde zum Abschluss eines langen Spieleabends macht Ratjack für mich wenig Sinn. Die nötige Konzentrationsfähigkeit sollte noch ausreichend vorhanden sein. Denn in dem Spiel stecken weitaus mehr Winkelzüge, als man bei der locker-leichten Zockeratmosphäre der Spielschachtel vermuten könnte. Und in Runden, die sowieso nicht so auf Kopfrechnen steht, könnte Love Letter dann doch die passendere Alternative sein.

Ratjack wird seinen Platz als anspruchsvolleres Kartenspiel sicher finden. Nur wohl in einer Nische, die mit der ersten Erwartungshaltung eines Zocker-Leichtgewichtes bricht. Trotzdem bleibt es noch in meiner Spielesammlung. Eventuell taugt es für mich als knackig-kurzes wie direkt-interaktives Zweipersonenspiel mehr. Ich möchte Ratjack eben mögen.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert