In der Theorie klang SETI für mich langweilig. Optisch vom Cover ansprechend, aber mechanisch nur bekannte und bewährte Brettspielkost, von der ich schon viel zu viel im Spieleschrank stehen habe. In der gespielten Praxis dann das unerwartete Gegenteil erlebt: Packender Spielablauf, herausfordernd und atmosphärisch überzeugend.

Inzwischen ist SETI vom Autor Tomáš Holek zu meinem Lieblingsspiel geworden. Schuld daran war meine Erstpartie, die mich noch weit nach Spielende beschäftigt hat und mein Denkapparat munter weiter tackern ließ. Wo hätte ich was anders machen können, um einen besseren Start hinzulegen? War die extreme Fokussierung auf Orbiter und Lander der richtige Weg? Oder hätte ich doch lieber meinen Computertechnologien erweitern sollen, um über vermehrte Scans und mehr Datensätze direkt zwei Arten von außerirdische Spuren zu sammeln? Nächstes Mal sollte ich dringend eine alternative Strategie fahren, um in der ersten Runde direkt zweifach mein Einkommen zu steigern. Ist das überhaupt möglich und wenn, dann wie?

Im Rückblick: Meine mitgespielte Erstpartie in entspannter Zweierrunde hat Spaß gemacht, SETI in seinen Möglichkeiten kennenzulernen und zu erkunden. Die arge Verknappung von Credits und Energie empfand ich als heftig. Eben, weil ich doch so gerne so viel mehr hätte machen wollen. Allerdings sorgte die auch dafür, die Spieldauer in überschaubare Grenzen zu halten.

Trotzdem wahrlich kein Bauchspieler-Spiel, da eine zu viel eingeplante „wird schon passen“-Ressource dazu führen kann, dass das Aktionskartenhaus einer Runde in sich zusammenfällt. Am Ende fehlt diese eine Ressource dann doch. Langfristig planen war aber schwierig, da sich selbst in unserer Zweierpartie so einiges zwischen den eigenen Aktionen veränderte. So eine kleine Änderung reichte dabei schon aus, dass Pläne nicht mehr passen – mal ist die Erde weggedreht, mal lag die Kartenfarbe nicht mehr aus, mal kam ich genau eine Aktion zu spät, um den Bonus abgreifen zu können. Also lieber situativ planen und nicht zu viel für eine Runde vornehmen, denn alles ist hier arg auf Naht genäht.

Am Ende war SETI weitaus weniger ein Mehrheitenspiel als zunächst von mir gedacht. Eigentlich nur beim Scannen und da kommt es eher darauf an, wie oft ich vorab die Scan-Aktion ausgebaut habe, um die effektiver nutzen zu können. Dann ergeben sich Mehrheiten fast schon automatisch oder sind zumindest wesentlich wahrscheinlicher. Zu dritt oder viert wird es mehr Konkurrenz geben, aber gut spielbar empfand ich den Mehrheitsmechanismus trotzdem zu zweit.

Durch die Aliens mit ihren nachgeschobenen Sonderregeln und dem großen Stapel an so unterschiedlichen Karten mit vierfachen Einsatzmöglichkeiten kommt eine Menge Varianz ins Spiel. Hier muss man allerdings den Zufall mögen und abkönnen, dass Karten mal perfekt passen und dann mal wieder so gar nicht. Genau deshalb ist eine situative Spielweise so wichtig, um sich nicht selbst zu frustrieren, was alles aktuell nicht möglich ist. Den Wiederspielwert sehe ich klar gegeben.

Das Thema Weltraumforschung und die Suche nach außerirdischen Leben passt für mich und ist angenehm geerdet. Weil mehr auf der technologischen Seite und weniger Science Fiction Seifenoper. Mehr Contact als Star Wars. Die vielen Karten transportieren das gut über den Projektnamen, die Abbildung und dem zusätzlichen Erklärtext. Allerdings hatte ich mir bisher kaum die Zeit genommen, das alles durchzulesen. Dafür hat mich der eigentliche Spielablauf zu sehr gefesselt.

Meiner Erstpartie sind noch weitere Partien gefolgt – zu dritt und auch in Vollbesetzung zu viert gespielt. Besonders eines habe ich dabei gelernt, teils auf die arg harte Tour: Je mehr Mitspieler dabei sind, desto flexibler sollte ich in meinen mittelfristigen Plänen sein. Eben waren da noch zwei lukrative Scanplätze auf den nahen Sternen frei, aber die sehen auch meine Mitspieler. Warum sollte ich dann darauf hoffen, dass die ihre Chancen nicht vor mir nutzen, wenn sich die Gelegenheit dazu bietet?

Wer zu fixiert solitär spielt, kann allzu schnell ungeahnt überholt werden. Eben war der angepeilte Mond noch frei. Durch eine Mitspieler-Handkarte mit Lander-Funktion aber nicht mehr. Da muss man Nehmerqualitäten zeigen und einen Plan B und C in der Tasche haben. Nicht jeder mag diese direkte Interaktion, bei dem nur der Schnellste belohnt wird. Zu viel Optimierungs-Ehrgeiz kann im Endeffekt dann auch zu langsam sein.

Genau dieses Belauern der Mitspieler, ob und wie lange ich für meine geplante Aktionsfolge Zeit habe, macht für mich den besonderen Reiz von SETI aus. Ich spiele nicht ungestört für mich alleine, sondern im weiten Raum durch die Mitspieler-Aktionen beeinflusst. Mit etwas Spielerfahrung kann ich zwar anfängliche Fehleinschätzungen vermeiden, aber jede Partie war bisher in ihrer Dynamik anders und speziell.

Mein Tipp: Wenn Ihr zu einem Planeten wollt und das Sonnensystem günstig steht, dann wartet nicht bis zum nächsten Zug ab. Spielt direkt ausreichend viele freie Aktionen, um Euer Ziel zu erreichen. Weil wer weiß, wie weit sich bis dahin das Sonnensystem weitergedreht hat und Euer Ziel nun völlig außer Reichweite ist. Dann nützt es Euch auch nichts, eventuell später eine Ressource gespart zu haben.

Besonders in einer Erstpartie bietet SETI viel Potenzial, das Unplanbare planen zu wollen. In diese Falle bin ich auch getappt. Nehmt Euch da selbst ein wenig zurück und auch in Kauf, dass nicht alles optimal laufen wird. Damit bleibt auch die Spielzeit in überschaubare Grenzen und wird nicht zum überlangen Denkfest zerdehnt. In Vollbesetzung solltet Ihr schon mit drei Stunden Spielzeit rechnen. Die 40 Minuten pro Mitspieler gemäß Schachtelaufdruck sind durchaus möglich. Am Ende zählt für mich allerdings wesentlich mehr, ob es allen am Tisch herausfordernden Spaß gemacht hat, diese Suche nach außerirdischen Leben zu wagen.

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