Laut Rolling Stone Ranking ist Bob Dylan der größte Songwriter aller Zeiten und der beste Musiker direkt nach den Beatles. Der Mensch Robert Allen Zimmerman bleibt weiterhin ein Mysterium – bricht mit jeder Erwartung, gibt sich egozentrisch und ist kein netter Kerl. Der aktuelle Kinofilm über ihn lässt uns zwar nicht schlauer werden, aber wir können dabei sein, wenn er in Person von Timothée Chalamet seine Songs darbietet.
Vorweg gesagt: Ich wusste von Bob Dylans Leben und Wirken nichts, außer dass er berühmte Protestsongs geschrieben hat. Nach diesem als Biografie bezeichneten Kinofilm habe ich nur wenig mehr über ihn erfahren, dafür aber eine Menge Songs gehört. So hangelt sich „Like A Complete Unknown“ von Songfetzen zu Songfetzen. Vieles wird nur kurz angespielt. Gerade so viel, um Appetit auf mehr zu machen.
Dabei hat es für mich 51 Jahre gedauert, bis ich dank des Films den Folk mal richtig kennengelernt habe. Und was ich da gehört hat, das hat mir gefallen. Nach kurzer Zeit wurde es mir allerdings emotional zu anstrengend und überfordert in dieser geballten Masse und hoher Schlagzahl. So schnell kann man ein für sich neues Musikgenre entdecken und ebenso schnell habe ich mich daran satt gehört. In kleineren dosierten Dosen, aber bitte gerne mehr davon.
Einige der Songs kamen mir bekannt vor. Dabei war keiner davon als Playback eingespielt, sondern von den Schauspielern selbst gesungen. Eine erstaunliche Leistung, besonders von Timothée Chalamet, der für mein Laienwissen arg nah an das nölig teils hingerotzte und deshalb nicht immer klar verständliche Original heranreichte. Zu meinem Glück gab es deutschsprachige Untertitel und zu meinem weiteren Glück war das hier auch keine typische Disney-Produktion, weil eingedeutschte Bob Dylan Songs hätte ich nicht ertragen.
Wer aber ist dieser Bob Dylan, von dem mir 142 Minuten erzählt wurde. Jemand, der seine Vergangenheit für sein Umfeld neu erfunden hat und von dem selbst seine engsten Beziehungen seinen richtigen Namen nicht wussten. Soweit die dramatisierte Biografie. Zudem ist er ein Künstler, der sich in keinster Weise vereinnahmen lassen will – von niemanden und schon gar nicht von seinen Fans.
Ein egozentrischer Charakter, der nur um sich selbst kreist. Alle anderen sind nur Beiwerk oder im besten Fall für ihn Impulsgeber für neue kreative Ideen. So wird er als „Arschloch“ bezeichnet, was er herzlich bejaht. Über diese Selbsterkenntnis kommt er allerdings nicht hinaus. Er scheint sich sogar in dieser Rolle zu gefallen, denn er verbiegt sich nicht, was Beziehungen mit ihm so schwierig machen.
Dabei spart der Kinofilm nicht die Schattenseiten seines Charakters aus. Mal offen anhand der Reaktionen gezeigt, wie er sein Umfeld emotional verletzt. Mal nur angedeutet, wenn wir miterleben, wie er die Kubakrise im nebenbei laufenden TV mitbekommt, sich umschaut und erkennt, dass das genau ein Thema ist, was die Menschen um ihn herum bewegt. Er inszeniert sich gerne als unangepasster Rebell. Derjenige, der mit dem Zirkus unterwegs war und in Güterwagons durchs Land gereist ist.
Ein reines Image, denn wie rebellisch ist man wirklich, wenn man dem Volk nach dem Mund singt, eine aktuelle Massenstimmung aufgreift und durch die Kraft seiner kreativen Worte in einprägsame Songs im Folk-Mantel presst? Und damit erste Erfolge hat und so weiter macht, bis es einem dann langweilig wird, weil der eigene Teller inzwischen gefüllt und der Hunger gestillt ist. Der ständigen Wiederholungen satt geworden, zieht es einem musikalisch weiter, weil es noch so viel mehr auszudrücken gilt.
Das alles wird gezeigt, aber nicht ausgesprochen. Ist eventuell sogar nur meine irregeleitete Interpretation des Gesehenen? Der Kinofilm erzählt sowieso nicht den kompletten Schaffensweg von Bob Dylan. Stattdessen fokussiert er auf seine Anfänge sowie seinen Wechsel von Folk zur Rockmusik, der auf dem Newport Folk Festival im Jahr 1965 seinen Höhepunkt findet und den Abschluss des Films bildet. Die Folgejahre werden schlicht wie ebenso kurz durch Texttafeln abgehandelt.
So bleibt Bob Dylan weiterhin ungreifbar für mich. Das änderte sich auch durch den Kinofilm nicht. Ich mag die Musik, den Typen aber nicht. Wer darüber hinaus Antworten sucht, der muss die Zusammenhänge in den Szenen selbst suchen oder sich stattdessen einfach an der Musik und der schauspielerischen Darbietung erfreuen. Für mich ein großartiges Kinoerlebnis, das mir Folk näher gebracht hat. Bob Dylan war für mich dafür nur Mittel zum Zweck. Wohl ganz in seinem Sinne.