So dramatisch wie der 22. Juni 1633 ist das hier für mich nicht. Galileo Galilei hatte gegenüber der römisch-katholischen Kirche seinen angeblichen Irrlehren abgeschworen. Einer Androhung von Folter bin ich hingegen nicht ausgesetzt. Ich bin nur zu weiteren Erkenntnissen gekommen. Den Anstoß dazu gab die Spielkritik in der aktuellen spielbox.
Wie ich ein Brettspiel im Erstkontakt erlebe und wie sich diese Meinung dann bei mir festsetzt, ist auch immer von den Umständen, der Situation und meiner Tagesform abhängig. So habe ich Galileo Galilei in meiner mitgespielten Dreierpartie als „mechanisch durchaus elegant, allerdings wenig aufregend“ erlebt. Im Schlusswort schreibe ich: „Grundsolide eben, nur eben nicht mehr – für mich.“
Soweit so richtig, weil so erlebt und subjektiv empfunden. Allerdings nur eine Meinung. Eine Meinung, die man gerne abnicken, aber ebenso gerne auch widersprechen kann, wenn man es anders sieht. Das hier auf brettspieltag.de sind keine ultimativen Wahrheiten, die Ihr einfach so für Euch übernehmen solltet. In erster Linie ist es hoffentlich Unterhaltung und für mich eine Möglichkeit, mir den Kopf frei zu schreiben.
Inzwischen sehe ich das Brettspiel Galileo Galilei vom Autor Tomáš Holek wesentlich thematisch passender und verwobener, als wie ich es in meinem Erstkontakt erlebt habe. Dort haben wir uns auf die Spielmechaniken fokussiert, weil das Spiel eher spontan auf den Tisch gebracht und ebenso spontan erklärt wurde. Da stand eben das „Wie“ im Vordergrund und nicht das „Warum“. Die thematischen Erklärkästen in der Anleitungen haben wir schlicht übersprungen. So kam die thematische Einbettung bei uns ein wenig zu kurz und bei mir zu wenig an. Keine Schuldzuweisung, sondern der Situation geschuldet.
Erst nach Lektüre der aktuellen spielbox ist mir ein Licht aufgegangen. Da berichtet der Autor Stefan Ducksch von dem thematischen Zusammenhang der im Spiel verwendeten Lichtwürfel und den Teleskoplinsen, die Galileo und seine Kollegen damals selbst geschliffen und verbessert haben. Was im Spiel durch Lichtwürfel in den drei Grundfarben Gelb, Rot und Blau dargestellt wird. Wörtlich heißt es in der Anleitung: „Ihre Farben symbolisieren das Spektrum des Lichts, das den Beobachter durch die Linse des Teleskops erreicht.“
Nur mit den passenden Lichtwürfeln können wir entsprechende Konstellationen oder auch Himmelskörper beobachten. Wobei das Beobachten von Himmelskörpern im Spiel anspruchsvollere Voraussetzungen hat. Logisch, der Planet Uranus ist am Nachthimmel kleiner als das Sternbild der Jungfrau, das aus neun Sternen besteht und sich über 1294 von 41.253 Quadratgrad am Firmament erstreckt. Soweit meine eigene Recherche dazu.
Die imposanten Darstellungen der Himmelskörper im Spiel sind zudem auf Grundlage von Handzeichnungen historischer Astronomen entstanden. Selbst im 17. Jahrhundert war es den Astronomen wie Galileo Galilei noch nicht möglich, die beobachteten Objekte am Nachthimmel so klar zu erkennen, wie wir diese von aktuellen Abbildungen kennen. Viel mehr als kleine Lichtpunkte waren mit den damaligen Optiken schlicht nicht möglich, selbst mit den stärksten Teleskopen ihrer Zeit. Das stellt die Anleitung klar.
Mit dem thematischen Hintergrund machen für mich etliche Spielmechaniken wesentlich mehr Sinn. So hatte ich bei der Erklärung noch über den Begriff „Lichtwürfel“ gelächelt, weil der so verkopft gewollt wirkte. Jetzt weiß ich es besser. Damit ist meine Motivation auch gestiegen, das Spiel nochmal eine Chance zu geben. Eben um selbst zu erleben, wie sich meine erweiterten thematischen Erkenntnisse auswirken.
Das hier ist aber keine Lobhudelei. Denn die Anleitung lässt auch ein paar wissenswerte Details aus. Zu den Proportionalwinkeln, die im Spiel für freie Aktionen ausgegeben werden, wird keine thematische Erklärung geliefert. So heißt es nur arg oberflächlich: „Winkel symbolisieren dein Wissen auf dem Gebiet der Astronomie“. Ok, nehme ich so hin. Aber schöner wäre gewesen, dort zu lesen, warum für Wissen diese Proportionalwinkel verwendet wurden.
Erst die Spielkritik in der spielbox 1/2025 beleuchtete für mich erneut den Zusammenhang. So schreibt Stefan Ducksch, dass die Proportionalwinkel „eine Art Rechenschieber [sind], den Galileo seinerzeit selbst herstellen ließ und vertrieb“. Solche Details hätte ich gerne direkt aus der Anleitung erfahren. Ebenso stimme ich der Meinung von Christwart Conrad zu, der dem Spiel ebenfalls die Note 8 gibt, was einer guten Wertung entspricht. Dort schreibt er: „Regeltext stellenweise thematisch überfrachtet (überzeugen statt vorrücken, befragen = werten)“. Genau diesen thematischen Stolperstein hatten wir im Erstkontakt auch.
So bin ich auf meine zweite Begegnung mit Galileo Galilei gespannt – und ob und wie sich meine spielerische Meinung dann ändern wird.