Die Faszination von neuen Brettspielen verdrängt in meinen Spielrunden allzu oft die bewährten Klassiker. Dabei werden damals innig geliebte ältere Spiele nicht schlechter, nur weil es so viele Neuheiten gibt. Ein ganz besonderes Eurogame aus dem Jahr 2017 konnte ich am Spieltisch für mich wiederentdecken und die Faszination ist neu entflammt.
Die ewig neue Frage auf jedem Spieletreff: Was spielen wir denn als Nächstes? Besonders wenn der Tag schon fortgeschritten ist und vorab eines der hochkomplexen Neuheiten auf dem Tisch kam und ich nicht zwingend Zeit und den Kopf frei genug für eine neue Regelerklärung habe, dann ist die Stunde von alten Brettspielliebschaften gekommen. Das sind für mich Spiele, die ich vor Ewigkeiten das erste Mal gespielt habe, die sich damals bewährt haben und die ich liebend gerne immer wieder spielen möchte.
Nur kam es dann irgendwann nicht mehr dazu. Das heiß geliebte Brettspiel blieb im Schrank, weil ganz viele Neuheiten auf den Tisch drängten, die erstmalig gespielt und erkundet werden wollen. Spielzeit ist bei mir begrenzt und deshalb wertvoll. Da wird eine Neuheit eher gespielt als das schon Bekannte. Weil diese Neuheit könnte ja noch besser sein als alles bisher gespielte. Blöd, wenn man die verpassen würde?
So kam es, dass meine letzte Partie Rajas of the Ganges schon so seine sieben Jahre her ist. Damals eines meiner Lieblingsspiele. Eben, weil es im Genre der Eurogames innovativ war. Es gewinnt nicht derjenige mit den meisten Punkten nach einer festgeschriebenen Rundenzahl, sondern wer die gegenläufigen Kramerleisten von Geld und Siegpunkte sich kreuzen lässt. Ob ich mehr auf Geld oder mehr auf Siegpunkte spiele oder einen Mix davon, bestimme ich mit meinen Aktionen selbst.
Ein Wettrennen um Effektivität. Arche Nova hat diesen Spielmechanismus aufgegriffen. Bei Rajas of the Ganges aus dem Jahr 2017 ist mir der erstmalig aufgefallen. Die Autoren Inka und Markus Brand waren damals wie heute am Puls der Brettspielzeit, haben unsere Arbeiter bei Village altern und sterben lassen und uns mit der EXIT-Reihe dazu gebracht, Spielmaterial zu falten und zerschneiden. Rajas of the Ganges halte ich persönlich weiterhin für ihr Meisterstück.
Trotzdem war es in meinem Spielerleben für sieben Jahre in der Versenkung verschwunden und fast schon vergessen. Dann, auf einem Spieletreff, habe ich es wiederentdeckt und mitgespielt, weil ich beste Erinnerungen daran hatte. Kurze Regelauffrischung und los ging es. Zwar noch etwas holprig, was die Effektivität meiner Spielzüge anging, aber die alte Brettspielliebe wurde neu entfacht. Zumal ich in einer Runde von Rajas of the Ganges Veteranen mitspielen durfte, die mir eindrucksvoll zeigten, wie optimiert man agieren kann. An den Spielsieg war für mich zwar nicht zu denken, der Abstand war dafür zu gewaltig, aber der Ehrgeiz, es in einer Revanchepartie besser zu machen, der war in mehr geweckt.
So kam Rajas of the Ganges in wenigen Wochen zweimal auf den Tisch und jeder dieser Partien war erneut spannend, interaktiv und einfach wirklich gut. Immer wieder gerne und irgendwann werde ich ganz sicher auch mal selbst gewinnen. Die nächste Partie kann gerne kommen.
Warum eigentlich? Was macht Rajas of the Ganges so besonders für mich? Es ist die Kombination aus einfachen und gradlinigen Regeln ohne komplizierte Sonderfälle. Es ist das hohe Spieltempo, weil wir reihum am Zug sind, Arbeiter einsetzen und Würfel abgeben. Geld und Rohstoffe kassieren und auf dem Weg immer mal wieder extra belohnt werden. Es ist die Interaktivität, wenn wir uns gegenseitig Aktionen wegschnappen, Flussfelder blockieren, um günstige Bauplätze und Platz auf den Märkten wetteifern. Wenn die Zwei als Augenzahl gerne gesehen ist und nur Dreien und Vieren im eigenen Würfelvorrat verflucht werden. Das alles und noch viel mehr ist Rajas of the Ganges für mich. Wer es bisher verpasst hat oder noch gar nicht kannte, unbedingt mal mitspielen.