Als Erklärer eines neuen Spiels tragt Ihr eine Verantwortung, die Euch eventuell gar nicht bewusst ist. Ihr seid wortprägend, wenn es um die genauen Bezeichnungen und Begrifflichkeiten geht. Spätestens dann, wenn Ihr die einzige Instanz seid, der vertraut werden muss. Immer dann, wenn Spielübersichten fehlen und Spiele sprachneutral sind.
Kennt Ihr das auch aus Eurem Brettspielalltag? Ihr erklärt ein Spiel aus dem Gedächtnis und mit eigenen Worten. Ihr fühlt Euch dabei so sicher, dass Ihr die Anleitung locker links liegen lassen könnt. Der Spielablauf ist Euch klar und die Struktur ebenso. Einzig die offiziellen Begriffsbezeichnungen erinnert Ihr nicht mehr. Wie wurde diese Aktion noch genau bezeichnet? Ja, die da mit der Schildkröte.
Anstatt umständlich im Regelwerk zu blättern und Euren Erklärfluss zu unterbrechen, benennt Ihr einfach die Aktion. Mit dem Begriff, der Euch gerade in den Sinn kommt. So wurde in meinen „Endeavor: Die Tiefsee„-Spielrunden aus der Aktion „Meereschutz“ einfach die „Schildkröten-Aktion“. Passt optisch und ist zudem einfach zu merken – für mich. In Folge hat sich die Bezeichnung eingebürgert und verfestigt. Mit langfristigen Folgen: Niemand spricht inzwischen mehr von „Meeresschutz“. Wie auch, wurde die Aktion im Erstkontakt doch von mir umgetauft.
So wurde aus dem Feld „Publikation“ und wir sind immer noch bei „Endeavor: Die Tiefsee“, das „Berichte schreiben“. Einleuchtend, ist doch dort ein „Berichtsheft mit Stift“ zu sehen. Der offizielle Begriff der Autoren und der Redaktion ist damit getilgt und ersetzt. Da das Spiel sprachneutral ist, es auf den Spielmaterialen nirgendwo ausgeschrieben steht und durchweg Icons dafür verwendet werden, kann zudem niemand aus der Spielrunde korrigierend eingreifen. Warum sollte somit jemand die verwendeten Bezeichnungen infrage stellen oder gar richtigstellen?
Als Regelerklärer habt Ihr an dieser Stelle nicht nur große Macht, sondern auch große Verantwortung. Einmal umgetauft und in Folge verwendet, bürgen sich die neuen Bezeichnungen ein und werden weitergetragen. Wenn Ihr also das nächste Mal am fremden Spieltisch ein Stirnrunzeln Eurer Mitspieler seht, wenn Ihr wie selbstverständlich von „Schildkröten-Aktion“ sprecht, dann sollte die Ursache klar sein. Da hat wohl jemand wortgetreu nach der Anleitung erklärt oder in deren Erklärrunde hat sich ein ganz eigener Begriff verfestigt.
Hauptsache Ihr wisst alle, was gemeint ist. Der Rest ist Schall und Rauch. Wie heißt es doch in dem Song „From Here“ von New Model Army: „Trouble always begins with the naming of things“. Wir sehen uns am Spieltisch, ob mit einem Stirnrunzeln oder wissendem Grinsen auf dem Gesicht.