Wer indirekt-konfrontative Workerplacement-Spiele mag, der sollte sich die 2024er-Neuheit des spanischen Verlages Moon Crab Games mal anschauen. Hier ist optimierte Aufbauarbeit und Übersicht gefragt, um die Postapokalypse auch in Sachen Siegpunkte positiv zu gestalten. Überall zuerst zu sein und den Mitspielern alles vor der Nase wegzuschnappen, das lohnt sich. Für mich glänzt das Expertenspiel aber vor allem als optische und thematische Einheit und kommt ohne ein einzig geschriebenen Wort im Spiel aus.

Der kalte Krieg ist Geschichte. Wie der berühmte Feuervogel, auferstanden aus Ruinen, bauen wir unsere Zivilisation wieder auf. Dieser Aufbau besteht sehr gradlinig aus dem Bau von Kraftwerken, denen drei Typen von Gebäuden folgen. Dabei haben wir die Auswahl aus zivilen Gebäuden, wissenschaftlichen Laboren und militärischen Stützpunkten. Dargestellt und erkennbar anhand ihrer Farbe. Nur wo Strom ist, können auch Gebäude gebaut werden und das in drei abgestuften Größen. Das schrägt unsere Auswahl der Möglichkeiten dann doch ein und holt uns zurück auf den Boden der Brettspiel-Realität.

Auf der SPIEL 2024 hat der spanische Verlag Moon Crab Games sein postakopalistisch thematisches Expertenspiel veröffentlicht. Eventuell kommt Euch der Verlag von Penguin Airlines bekannt vor. Im Messejahr 2023 schnell ausverkauft, danach lokalisiert und in der Versenkung der vergessenen Neuheiten wieder verschwunden – zumindest in meinem Umfeld. Mit Phoenix New Horizon betritt der Verlag neue Wege, richtet sich an die Eurogame-Zielgruppe und stellt das erste strategische Schwergewicht vom Autor Jorge J. Barroso vor.


Für das vierte Quartal 2025 ist Phoenix New Horizon bei Frosted Games als lokalisierte Version angekündigt. Erst vor wenigen Tagen wurde das Spiel für die Übersetzung freigegeben. Ausgebreitet auf dem Spieltisch habe ich Phoenix New Horizon allerdings komplett sprachneutral erlebt, denn es gibt keinerlei spielrelevanten Text fernab der Anleitung. Ob und was Frosted Games in den kommenden Monaten fernab der Regelwerkformulierungen verbessern wird, muss sich noch zeigen. Wer ungeduldig ist, findet derweil ein aktualisiertes englischsprachiges Regelwerk. Mir selbst wurde Phoenix New Horizon in unserer entspannten Viererrunde erklärt, sodass diese Einstiegshürde für mich nicht gegeben war.

Im mechanischen Kern haben wir hier ein Workerplacement-Spiel, bei dem wir allerdings die feste Arbeiteranzahl von genau zwei kleinen und einen großen Arbeiter haben. Offiziell heißen die allerdings „commando“ und „commando leader“, wurden in unserer Partie aber nie so bezeichnet. Mit diesen drei Arbeitern müssen wir auskommen. Mehr gibt es nicht, sondern nur die Hoffnung, die auf der Karriereleiter der Aktionsmöglichkeiten aufsteigen zu lassen.

Nach vier Runden ist das Spiel auch schon vorbei, die Aufbauarbeit erledigt und vor uns erstreckt sich eine stilisierte Landschaft voller Kraftwerke und Gebäude. Laut Verlagsinfo sollten dann rund 120 Minuten in Vollbesetzung von vier Spielern vergangen sein. Wie lang Eure Partie dauert, hängt allerdings vor allem von Eurer Denktiefe und Optimierungsgeschwindigkeit ab. Ich selbst konnte flott spielen, dabei allerdings auch etliche Aktionen verschenkt. Für einen Erstpartie, um das Spiel spielerisch kennenzulernen, für mich völlig ok.


Was sich da vor unseren Spieleraugen ausbreitet, ist optisch schön thematisch und durchaus opulent. Besonders die Liebe zu den vielen Details hat mir gefallen. Einige davon sind zwar völlig unnötig, wie die illustrierte Rückseite unseres Spielertableaus, das eben genau das darstellt, was ich erwarte, wenn ich meine Konsole umdrehe – die Rückseite meiner Konsole. Dieser Stil zieht sich durchs ganze Spiel und wertet Phoenix New Horizon für mich enorm auf.

Persönliche Aufträge, die eine gewisse Kombination von Kraftwerken und Gebäuden in verschiedenen farbig eingefärbten Regionen erfordern, geben uns Extraktionen. Zudem liegen drei offen ausliegende Ziele aus, die ganz besondere Baukombinationen erfordern und um die wir ebenso offen konkurrieren. Hier zeigte sich für mich, dass eine Herausforderung des Spiels ist, diese Chancen auf Siegpunkte alle im Blick zu behalten.

Ein verzweigter Forschungspfad bringt uns Vorteile, wenn wir denen mit unseren „Äffchen“ getauften Wissenschaftlern emporklettern. Wer dort als Erster voranschreitet, der bekommt einen diversen Bonus. Schnell zu sein, lohnt sich dort. Das führte allerdings bei mir dazu, dass ich dieses Rennen um ausliegende Bonus allzu schnell aufgab, weil ich meinen Fokus woanders sah und in Folge selbstverschuldet den Anschluss verloren hatte.

Soweit so spielmechanisch gewöhnlich, aber schön thematisch und grafisch umgesetzt. In diesem Bereich glänzt Phoenix New Horizon. An die Spielerfarben türkis, grün, orange und violett musste ich mich allerdings gewöhnen. Wer nur mit rot spielen kann, schaut hier in die Röhre. Farbblinde Mitspieler ebenso, so zumindest laut Rückmeldungen auf Boardgamegeek. Im Zweifel vorab selbst anschauen. Ich hatte damit kein Problem und alles wirkte auf mich durchaus farbharmonisch abgestimmt.

Es gibt allerdings noch mehr: Der Nebenspielplan, auf dem wir unsere Arbeiter einsetzen, ist in aufsteigende Beförderungsstufen unterteilt. Teils zufällig mit Aktionsfeldern für die Spielpartie bestückt, aber auch mit fest vorgedruckten Feldern, die immer mächtigere Aktionen ermöglichen, je höher wir mit einem Arbeiter empor gelangen. So ein Aufstieg kostet allerdings Benzin in Form von kleinen Pappkanistern und der eigene Vorrat davon ist begrenzt und grenzt unseren Aktionsspielraum ebenso ein. Auch sind wir durch unseren persönlichen Vorrat an Kraftwerken und Gebäuden eingeschränkt. Die wollen durch das Voranschreiten auf der Energieleiste unseres Spielertableaus erst einmal freigeschaltet werden und geben dann teilweise Bonus, erfordern aber auch Benzin.

Der Spielelemente nicht genug. Bauen wir auf beiden Seiten der Grenzlinie zwischen den Regionen, stauben wir als Erster einen Bonus ab. Wer später baut, muss sich hingegen mit einer wesentlich geringeren Belohnung zufriedengeben. Erster sein, wird nicht nur hier belohnt, sondern zieht sich durch das ganze Spielgeschehen.

Unsere Gebäude können wir an Orte bauen, die in drei Größen, Typen und Farben eingeteilt sind. Pro Gebäudetyp gleichzusetzen mit der Farbe können wir den persönlichen Punktewert dieses Typs für uns erhöhen. Wer viel Militärstützpunkte baut, sollte dessen Punktewert nach oben treiben. Aber eventuell verlangen Aufträge und Ziele ganz andere Gebäudefarben und zudem ist der Bau durch Kraftwerke eingeschränkt. Ohne vorab gebaute Kraftwerke sind an einem Ort keine Gebäude möglich. Diverse Punktemultiplikatoren an mehreren Stellen, die wir mit unseren Wissenschaftlern im Laufe der Partie besetzen, geben uns am Spielende ebenso mehr oder auch weniger Punkte. Wer zuerst kommt, profitiert am meisten. Kennen wir.

Somit wird Phoenix New Horizon zum Wettlauf um die ersten Plätze auf Multiplaktionsfeldern, wobei unsere stark begrenzten Aktionen uns dazu anhalten, möglichst effektiv zu spielen. Optimierung ist angesagt. Durch eine Aktion zeitgleich Bonusaktionen auszulösen, weil man persönliche Aufträge und bestenfalls noch einen der drei offenen Ziele erfüllt, nebenbei seine Wissenschaftler freischaltet, passend platziert oder forschen lässt und den Gebäude- sowie Kraftwerksvorrat seines persönlichen Tablauts verfügbar macht, ist die eigentliche Herausforderung.

Der Spielplan wird im Laufe der Partie immer bebauter und so beginnt die Denkarbeit, die dadurch erschwert wird, die Übersicht aller potenzieller Bonusaktionen und Möglichkeiten zu behalten. Auch ja, sofortige wie auch langfristige Vorteile kann man ebenso an sein Spieltablaut andocken. Wer das wie ich ignoriert, weil anderswo genug zu tun ist, verzichtet im Laufe der Partie auf viele Punkte. Aufbauarbeit ist angesagt und die richtige Balance zwischen langfristige Vorteile und kurzfristige Punkte zu finden, dafür braucht es ebenso Hirnschmalz.

Was das in Euren Spielrunden für die benötigte Spielzeit bedeutet, ist sehr individuell. Die angegebenen zwei Stunden halte ich zumindest in der Erstpartie für utopisch. Rechnet mindestens eine Stunde dazu und Ihr seid im richtigen Zeithorizont unterwegs. Somit kein Spiel für spontane Bauchspieler, da es mit mehr Deckeinsatz oftmals eine bessere und effektivere Aktion gegeben hätte. Mehrfach selbst erlebt. Bei nur deren drei Basisaktionen pro Spielrunde und damit zwölf pro Partie, ist ein verschenkter Zug schlicht blöd bis tragisch.

Fehleinschätzungen sollte man sich nicht leisten, dafür bietet das Spiel kaum Raum, sofern wir erfolgreich sein wollen. Unsere Partie mit drei Erstspielern wurde allerdings an keiner Stelle langatmig, auch weil wir immer auch daran interessiert waren, ob unsere Vorausplanungen auch nach den MItspielerzügen weiterhin möglich sind oder wir zu Plan B und C wechseln sollten oder sich gar neue Einsetzmöglichkeiten durch neue Kraftwerke & Co aufgetan hatten.

So sitze ich in meiner persönlichen Erstmeinung ein wenig zwischen den Stühlen und weiss gar nicht so recht, wie ich Phoenix New Horizon einordnen soll. Es ist ein ständiger Konkurrenzkampf gegen die Mitspieler an diversen Stellen, denen zuvorzukommen oder die Lücken finden, in denen man auch mal weniger Konkurrenz hat. Offen ausgetragene Kämpfe gibt es zwar keine, aber was man selbst hat, hat kein Mitspieler und wenn das noch mehr Punkte einbringt, umso besser.

Für mich hätte es gerne ein paar Spielebenen weniger sein dürfen. Aber genau durch die Verzahnung ergibt sich erst die eigentliche Komplexität und Herausforderung. Die muss man mögen. Da ich allerdings zu extrem verzahnte Spiele nicht mag, wenn die an der Grenze zur Denkarbeit sind, das Thema und die grafische Gestaltung des Spiels allerdings mag, wird es wohl nicht zwingend mein Favorit werden.

Ich sehe aber genau die Zielgruppe vor mir, die Phoenix New Horizon begeistern könnte: Wer indirekt-konfrontative Eurogames zu seinen Favoriten zählt oder auch ein Lacerda-Freund ist, aber gerne mehr in den Spielmechanismen verankerte Thematik sucht, der sollte hier richtig sein. Eine Kennenlernpartie solltet Ihr Euch nicht entgehen lassen. Eine vollumfängliche Empfehlung kann ich allerdings nicht aussprechen, dazu war mir das Spielgeschehen zu belohnend auf effektive Optimierung und Kettenzüge.

Ich sollte an dieser Stelle allerdings auch nicht Euer Maßstab sein, sondern nur eine Meinungsrichtung geben. Eben weil ich solche verdichteten und folgenreichen Optimierspiele mit nur wenigen Spielzügen zwar wertschätze, die aber nicht zu meinen Lieblingsspielen gehören. Mitspielen gerne mal wieder, den Kauf überlasse ich hingegen meinen Mitspielern. Falsch macht Ihr damit aber nichts, denn Phoenix New Horizon ist spielmechanisch durchaus in der Oberklasse anzusiedeln. Zudem bekommt das Spiel von mir, durch seine thematische Gestaltung, einen Sternchenpunkt dazu.

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