Wenn ein Solo-Videospiel so gut in kooperativer Viererrunde auf dem Spielbrett nicht nur funktioniert, sondern auch mächtig Spaß macht, dann könnte die Zusammensetzung der Spielrunde dabei einen nicht unerheblichen Einfluss haben. Andere sind hingegen anderer Meinung und spielen es lieber zu Zweit.
Eigene Erfahrungen lassen sich nicht wegdiskutieren. Slay the Spire habe ich in entspannter Zweierrunde kennengelernt. Gutes Spielerlebnis, nur eventuell etwas zu lang, um alle drei Kapitel am Stück zu spielen. Lag aber auch eventuell daran, dass wir uns damals die nötige Zeit genommen haben, um die Kampfsituation zu analysieren und in seinen Details spielmechanisch zu verstehen. Ist mir in guter Erinnerung geblieben.
Deshalb habe ich auch keine Sekunde gezögert, als das Spiel in ebenfalls deutschsprachiger Version in anderer Runde auf den Tisch kam. Diesmal allerdings in Viererrunde, die mindestens ebenso entspannt war. Eine bunte Mischung aus Slay the Spire Veteranen und Erstspieler des Brettspiels. War ich wirklich der Einzige, der das zu Grunde liegende Videospiel aus dem Jahr 2017 nicht kannte? Ja, gebe ich zu, da ich die letzten Jahre elektronisch eher in virtuellen 3D-Umgebungen unterwegs war und das Phänomen Slay the Spire so völlig an mir vorbeigegangen ist.
Erstaunlich fand ich allerdings die Reaktion aller, die an unserem Spieltisch vorbeikamen. Die konnte ich direkt in zwei Gruppen einordnen. Mit leuchtenden Augen und einem verzückten Grinsen im Gesicht, das waren die Slay the Spire Videospieler, welche die Spielelemente wiedererkannten. Mit einem Stirnrunzeln und leichtem Augenrollen aufgrund der kindlich-plakativen Illustrationen, das waren alle jene, die das Videospiel nicht kannten.
Dabei unterscheidet sich das Brettspiel in so vielen kleinen Details, dass man als Videospieler keine wirklichen Vorteile haben sollte. So sagte man mir und wollte mich eventuell auch nur beruhigen. Teilweise war das Vorwissen auch hinderlich, weil es sich in Details dann doch anders am Brett spielt. Vorschnelle Interpretationsversuche der Spielmechaniken waren deshalb nicht immer korrekt.
Und damit kommen wir direkt zu meinem größten Kritikpunkt des Brettspiels: das gedruckte Regelwerk. Leider als Nachschlagewerk nicht zu gebrauchen und in Details lückenhaft. In unserer Viererpartie hatten wir Situationen, die wir mit dieser Anleitung nicht klären konnten. Der Verlag Nice Game Publishing, der sich für die deutschsprachige Version verantwortlich zeigt, hat meiner Einschätzung nach erneut keine überzeugende Lokalisationsarbeit geleistet. Kennt jemand noch A.D.E.L.E. und zuckt genauso zusammen wie ich?
Gemeinsam haben wir uns dann doch durch die Partie gewühlt. Allerdings sind wir knapp am Endboss des ersten Aktes gescheitert – zwei Schadenspunkte fehlten uns zum Erfolg. Diese Niederlage fühlte sich nach den permanenten Hochgefühlen während der Partie sehr ernüchternd an – verloren und nun? Den sorgsam aufgelevelten und verbesserten Held wieder wegpacken? Ich hätte gerne weitergespielt, aber das hätte sich wie schummeln angefühlt und wäre es auch gewesen. Also nein, unser Scheitern schlicht akzeptieren und nächstes Mal besser machen.
Unsere Kommunikation in Viererrunde untereinander klappte dabei erstaunlich gut. Eben auch weil wir nicht in die Details gegangen sind, sondern nur die Kernpunkte der nötigen Zusammenarbeit fokussiert haben. Typische Ausrufe waren: „Kann mir jemand Schutz geben? Ich kann noch Schaden verteilen, braucht wer? Gemeinsam können wir das Monster direkt in diesem Kampfzug bezwingen, los geht’s!“ Die eigentlichen Charakterdetails hat dann aber jeder für sich abgehandelt. So viel Vertrauen in die Mitspieler muss dann schon gegeben sein und war bei uns auch gegeben.
So fühlte sich unsere Partie des ersten Aktes gut und belohnend an, immer stärker zu werden und immer mehr Möglichkeiten zu haben. Auch in Situationen, in denen wahre Horden an Monster uns gegenüberstanden und wir eigentlich keine Chance sahen. Dann war der gemeinsam erlebte Triumph umso größer. Die 28 % der Boardgamegeek-Nutzer, die sich dazu geäußert haben, empfehlen Slay the Spire übrigens nicht in Vollbesetzung. Ich habe da eine abweichende Meinung, weil Erfahrung gemacht. Gerne wieder in passender Viererrunde.