Ein Spiel wie ein Erstlingswerk. Vollgepackt mit Mechanismen und Verzahnungen. Dabei ist weniger doch mehr und wird damit zur Eleganz? Hatte Dr. Reiner Knizia doch unrecht? Denn die von mir angespielte deutschsprachige Version von Men-Nefer war eines meiner Höhepunkte der SPIEL DOCH! 2025 in Dortmund und ist ganz bewusst eine solch eng verzahntes Optimierspiel von Germán P. Millán.

Kingdom Defender, Bitoku, Sabika, Bamboo und nun Men-Nefer. Gewiss kein Erstlingswerk, sondern die Folge der Entwicklungsreise des spanischen Spieledesigners. Mit dem eng verzahnten Optimierspiel Men-Nefer kehrt Germán P. Millán zu der Gewichtsklasse eines von seinen Fans gefeierten Bitoku und Sabika zurück. Zwei Expertenspiele, die mir bisher durchs Spieleraster gerutscht sind. Bei 1500+ jährlichen Neuheiten kein Wunder, muss heutzutage ein Spiel doch schon auf den ersten Blick genau diesen fesseln können.

So war es mit Men-Nefer auf der SPIEL DOCH! 2025 in Dortmund. Aufmerksamkeitsstark in einem Kapplex-Spieletisch am Rand des Pegasus-Messestandes aufgebaut, war Men-Nefer schlicht ein Hingucker. Und da sich gerade niemand sonst traute, diesen optisch opulenten Brecher auszuprobieren, hatte ich die Chance und Gelegenheit, einer meiner Messe-Höhepunkte anspielen zu können.

Wir schreiben das vierte Jahrtausend vor Christus. Am südlichen Nildelta wächst die bevölkerungsreichste Stadt der Welt zum religiösen Zentrum zusammen. Der nahe Nil ermöglicht lukrativen Handel und versorgt Arbeiter und Bevölkerung. Schließlich wollen monumentale Bauwerke errichtet werden. Pyramiden und Sphinx-Statuen sind gerade hoch im Kurs. Wird trotz allem Streben und Macht und Reichtum unser Herz leichter als eine Feder sein, um uns Zugang zum himmlischen Paradies im Jenseits zu ermöglichen? Wir tauchen in Men-Nefer also tief in die Geschichte des Alten Ägypten ein. Am Ende jeder der drei gespielten Zeitalter geht es aber doch nur um Prestigepunkte – woher diese gekommen sind, wird eh niemand mehr fragen.

Vier Seiten braucht die gut strukturierte Anleitung, um den kleinteiligen Aufbau des Spiels zu beschreiben. Für unsere entspannte Viererrunde war das zum Glück schon alles vorbereitet. Die folgenden zwölf Seiten für die Spielerklärung konnten wir uns ebenso sparen, denn uns wurde Men-Nefer geduldig wie ausführlich erklärt – inklusive aller unserer Nachfragen. Ihr könnt den Einstieg davon im aufgezeichneten O-Ton mitlauschen:

Super erklärt, auch wenn ich vor lauter Symbolen und Möglichkeiten noch nicht das eigentliche Spiel sah. Ein wortwörtlicher Sandkasten der Möglichkeiten, die alle irgendwie untereinander verzahnt waren. Dazu brauchte es zu fast jeder Aktion eine Art Vorbereitungsaktion, um diese dann schließlich ausführen zu können. Das alles erforderte Vorplanung oder wie in unserer Kennenlernrunde einfach mal machen und schauen, was dabei herauskommt.

So sind wir nach wenigen Aktionen gut ins Spiel gekommen. So komplex ist Men-Nefer dann doch nicht. Im Kern sammeln wir Fische und Ankhs, um damit bestimmte Aktionen bezahlen zu können. Wir schreiten mit unseren Skarabäen auf den fünf Spezialisierungsleisten voran, um Aktionen effektiver auszuführen. Wir sammeln Papyrus vom Papyrusmarkt, um daraus unser Totenbuch zu schreiben, während wir zeitgleich versuchen, unsere Marker für Herz und Feder sich auf der Duatleiste kreuzen zu lassen, um negatives Prestige zu vermeiden. Mumien, Sphinxe und Opfergaben bereiten wir vor, um diese anschließend einzusetzen. Dafür und für noch einiges mehr haben wir in einer Partie 27 Aktionen Zeit.

Das alles passiert direkt auf dem zentralen Spielplan, sodass wir an etlichen Stellen uns darum rangeln, wer jetzt wem zuvorkommt oder wo man besser noch warten sollte. Somit ist ein Blick zu den Mitspielern nie verkehrt, um teure Zusatzkosten zu vermeiden oder selbst Auswahlmöglichkeiten einzuschränken. Lieb und nett ist das nur vordergründig. Im Hintergrund des Spielgeschehens sind wir direkte Konkurrenten, die sich gegenseitig im Weg stehen, um das eigene Prestige zu maximieren.

Dennoch zwei kleine Kritikpunkte: Die beiliegende Iconübersicht auf zwei übergroßen Regelseiten hätte ich gerne als doppelseitige Übersicht für jeden Spieler gehabt. Besonders anfangs mussten wir doch etliche Symbole erst einmal gemeinsam klären. Zudem hätten einige Icons in meinem Erstkontakt etwas klarer sein können, so wie der Unterschied zwischen „Priesterinnen bewegen“ und „Opfergabe darbieten“, was nur durch einen Korb symbolisiert wird, der ähnlich golden-rund wie die Bewegungsweite aussieht. Einmal identifiziert und verstanden war das aber kein wirkliches Problem, sondern nur ein Stolperer beim Spieleinstieg.

Von einem Brettspielfreund wurde Men-Nefer als eines der besten Spiele der SPIEL 2024 betitelt. Da gab es die englischsprachige Version. Allerdings hat er das Spiel auch dort erklärt und ist dementsprechend nicht ganz neutral. So euphorisch bin ich nicht ganz, weil Civolution und SETI sind für mich ebenso starke Anwärter auf die „Best of heavy Eurogames“-Krone. Auf der SPIEL DOCH! 2025 in Dortmund war Men-Nefer aber eindeutig eines meiner persönlichen Höhepunkte und deshalb auch inzwischen privat gekauft.

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