Ein verzahntes Optimierspiel. Was der werbewirksame Slogan des Expertenspiels verspricht, wurde in meiner ersten vollständigen Mehrspielerpartie auch eingehalten. Da gab es eine Menge an Verzahnungen und ebenso noch mehr Chancen für Optimierungen. Mein persönliches Ziel war allerdings wesentlich bescheidener. Den Sandkasten der vielen Möglichkeiten in der Praxis zu entdecken und spielerisch kennenzulernen.

Somit ein voller Erfolg. Ganz unabhängig davon, dass ich am Ende der drei Zeitalter des Spiels mit knappem Abstand von nur vier Prestigepunkten in Führung lag. Zwei unserer entspannten Sonntagsrunde hatten Men-Nefer schon mal angespielt und ein weiterer Mitspieler kann die Frühjahrsneuheit von Pegasus Spiele vom Hören-Sagen und hatte nur Gutes darüber gehört. Somit eine Dreierrunde von versammelter Neugier auf die Möglichkeiten des Spiels. Deshalb war das Endergebnis von 65 zu 66 zu 70 Punkte auch eher eine Nebensache. Viel wichtiger war der erlebte Spielspaß und die gemeisterte Herausforderung, die uns Men-Nefer gestellt und geboten hat.

Dabei haben wir komplett unterschiedlich gespielt und lagen am Ende nur fünf Punkte auseinander. Spricht das für die Vielfältigkeit von Men-Nefer oder ist das doch die Beliebigkeit eines durchmischten Punktesalates? Die kommenden Folgepartien werden es wohl zeigen. Denn eines ist klar, Men-Nefer wird sicher noch häufiger auf den Tisch kommen. Da gibt es noch eine ganze Menge mehr zu entdecken, auszuprobieren und schließlich zu optimieren. Nicht ohne Grund zählt die Prestigepunktleiste bis 100, während wir gerade einmal zwei Drittel davon erklommen und sicher eine Menge an Punkte lieger gelassen haben.

Vor dem Spielvergnügen, das bei uns rund drei Stunden gedauert hat und wovon keine Minute Leerlauf war, steht allerdings der Spielaufbau. Mehr als 29 Einzelschritte sind laut Anleitung dabei zu beachten und auszuführen. Unser größte und auch zeitraubendste Aufgabe war, die einzelnen Spielkomponenten richtig zu identifizieren und zuzuordnen. Da gibt es Siegel und Sonnenscheiben und Wasserlilien, die unterschiedliche Funktionen haben und ihren Platz auf dem großformatigen Spielbrett finden wollen. Ich hatte Men-Nefer auf der SPIEL DOCH! 2025 in Dortmund kennengelernt und angespielt und dementsprechend war das Spiel schon aufgebaut. Somit kein praktisches Vorwissen vorhanden. Einfach Schritt für Schritt der Anleitung folgen und dann wird das schon – und wurde es bei uns auch.

Die Regelerklärung selbst lief dann erstaunlich gradlinig. Auch da hangelte ich mich mit eigenen Worten durch die Anleitung, um keine Details zu übersehen. Es stellte sich dabei heraus, dass wir in unseren Demo-Anspielrunden ein paar Nebensächlichkeiten übersehen hatten. Jeder für sich andere. Die eigene Erinnerung ist kein zuverlässiger Ratgeber in solchen Fällen. So können wir ein Boot innerhalb einer Aktion nur einmalig und nicht mehrfach aktivieren und in unserem Warenbereich können wir schon pyramidenartig in die Höhe bauen, bevor die unterste Reihe komplett gefüllt ist. Details eben.

An einer Stelle ist die deutschsprachige Regel allerdings missverständlich bis unvollständig. In einer Stadt dürfen sich zwar mehrere Boote unterschiedlicher Spieler treffen, aber jeder darf nur ein Boot dort vor Ort haben. Auch darf man so eine Stadt nur über den ersten angrenzenden Flussabschnitt betreten. Das englische Original ist in diesen Punkten genauer und eindeutiger ausformuliert. Mit ein wenig Vorabrecherche konnten wir auch diesen kleinen Stolperstein umschiffen.

Somit zurück zum eigentlichen Spielablauf. Das Erste von drei Zeitaltern lief noch etwas holprig. So viele Möglichkeiten und die ganzen Icons wollten ebenso von uns verstanden werden. Dementsprechend beanspruchte dieser Abschnitt, bis zur ersten Wertung in der Erntephase, ungefähr so viel Spielzeit wie die verbliebenen zwei Zeitalter zusammen. Im Laufe der Partie wurden uns unsere Möglichkeiten und auch die Verzahnungen dann aber immer klarer und unsere Pläne konnten sich festigen und warteten teilweise nur noch auf Ausführung. Sofern uns die lieben Mitspieler nicht doch zuvor kamen.

Wir haben dabei drei unterschiedliche Spielwege beschritten. Und alle davon klangen vielversprechend und erzeugten teils neidische Blicke, was da alles wie zusammenlief. Ein Mitspieler sammelte intensiv Papyrus und platzierte alleine und ungestört seine Sarkophage in den Grabbauten der Stadt der Toten. Nebenbei vermehrte er über die Papyrus-Wertung einer Königinnenpyramide weitere Punkte. Nicht unbegründet war sein flüchtiger Spitzname in Folge „Mr. Papyrus“.

Der dritte Spieler im Bunde fokussierte sich stark auf Handelsabkommen, die er in den Städten am Nil einsammelte. Bis Spielende hatte er die komplette Leiste auf seinem Spielertableau gefüllt. Dazu kamen Opfergaben im Tempel und er schaffte es mit seiner Sonnenscheibe, die Spitze des Obelisken zu erklimmen. Fand ich beeindruckend, auch weil er nie wie ich selbst einen Mangel an Fisch hatte.

Ich selbst wollte zunächst an den Pyramiden bauen. Auch, weil das mein erstes Handelsabkommen besagte. Die Erfüllung brachte mir einen Punkt und im ganzen Spiel machte ich mit diesem Handelsabkommen volle drei Punkte in Summe. Weniger als gedacht. Allerdings versorgte mich der Pyramidenbau mit dringend benötigten Fisch. Entweder direkt über den Baubonus oder über die Gunst des Chufu, der ebenso Fisch zur Auswahl hatte.

In Sachen Schifffahrt auf dem Nil war ich hingegen weniger entwickelt, eigentlich so gar nicht vertreten zunächst. Dementsprechend musste in Folge immer sehen, aus welchen anderen Nebenquellen ich meinen dringend benötigten Fisch bekam. Den Fisch gilt es an vielerlei Stellen zu bezahlen und wer das nicht kann, schränkt sich ein oder muss gar ganz auf die eigentliche Aktionsausführung verzichten. Dieser heftige Kelch ging allerdings an uns vorbei.

Zudem fokussierte ich mich mit meinen Lehrlingen stark auf die Tempel-Leiste im Lebenshaus, um darüber verstärkt Waren opfern zu können. Das brachte notfalls auch Fisch oder eben Schritte auf der Duatleiste, um Herz und Feder sich kreuzen zu lassen. Denn die Minuspunkte dort wollte ich unbedingt vermeiden, was mir als einziger in unserer Spielrunde auch kurz vor der dritten Wertung gelang. Zwischendurch meißelte ich auch an meinen Sphinxen, das allerdings nur halbherzig. Sarkophage habe ich hingegen keinen einzigen bestattet.

Man kann eben nicht alles machen. Drei Zeitalter sind am Ende dann doch erstaunlich kurz. Wo anfangs noch eine Menge Auswahl war, wohin man seine Sphinxe bauen und wo im Tempel seine Opfergaben darbieten konnte, wurden die freien Plätze immer knapper – die begehrtesten davon waren schon längst besetzt. Deshalb sehe ich in Men-Nefer auch ein Spiel der richtigen Augenblicke und Chancen.

Chancen, die man situativ ergreifen sollte, um möglichst ein optimiert laufenden Räderwerk an Aktionsfolgen zu schaffen. Einen gewissen Vorrat an Fisch zu haben, das beruhigt nicht nur, sondern schafft Auswahlmöglichkeiten, welche Aktionsplättchen wir abgreifen können und wer auch auf stark frequentierten Feldern auf im Lebenshaus seine Lehrlinge einsetzen kann.

Billige Aktionsplättchen, Waren und Papyrusrollen sind zwar durchaus begehrt und oft von uns genommen. Aber wer die Auswahl hat, weil ausreichend Fisch und Heka in Form von Ankh-Symbolen vorab gesammelt wurde, kann besser passend und nicht nur preiswert agieren. Das Leben auf Sparflamme war selbst im Alten Ägypten stark einschränkend. Früh bei einer Zeitalter-Wertung dabei zu sein und diesen Punkteregen dann in den kommenden Zeitaltern auszubauen, um in Folge bis zu dreimal seinen Fortschritt werten zu lassen, das scheint ein Schlüssel zum Erfolg zu sein. Einer von vielen.

Men-Nefer bietet so viele Stellschrauben, an denen ich gerne drehen möchte. Der zufällige und dadurch variable Spielaufbau gibt diverse lukrative Synergie-Möglichkeiten vor, sofern wir diese rechtzeitig entdecken. Große Prestigepunkte-Potentiale locken allerdings auch die lieben Mitspieler ebenso an. Zu starke Konkurrenz schadet allerdings allen Beteiligten, da wir eventuell Aktionen vorziehen müssen, die dann doch nicht mehr optimal passen, nur um seinen Mitspielern zuvorzukommen.

Was der erfolgversprechendste Königsweg ist, das wird sich alles noch zeigen müssen. Und das ist gut so. Ausgespielt ist Men-Nefer für mich noch lange nicht. Deshalb meine absolute Empfehlung für alle Eurogame-Optimierfreunde, die eine gehobene, aber nicht überhöhte Komplexität suchen. Der Autor Germán P. Millán hat da ein erstaunliches Werk abgeliefert. Gerne wieder und gerne bald.

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