Kann man ein mittel komplexes Eurogame mit nur einer gespielten Partie im Rücken, aber mit viel theoretischen Gedankengängen rund um potenzielle Optimierungen fernab des Spieltisches knacken? Also die Spielmechanik so weit entschlüsseln, dass man in Folgepartie nicht nur besser, sondern unschlagbar wird? Ich versuche mich an El Paso – und scheitere.

Great Western Trail war lange in der Top 10 Beliebtheitsleiste bei Boardgamegeek vertreten. Das schaffen nur außergewöhnliche Spiele. Und zwar Spiele, die den Nerv ihrer Zeit treffen. Great Western Trail war und ist auch weiterhin so ein Spiel. Für manche Mitspieler allerdings ein wenig zu verkopft mit den vielen Gebäudebau-Möglichkeiten und dem ständigen Blick auf den allgemeinen Arbeitsmarkt.

El Paso hat aktuell dieses Strategiegeflecht geschickt eingedampft, um mit der Hälfte der Spieloptionen eine Partie in der Hälfte der Spielzeit seines größeren Bruders spielen zu können. Damit ist El Paso auf eine angenehme Familienspieldenktiefe reduziert worden und damit mein idealer Kandidat für spieltheoretische Überlegungen wie diese, so dachte ich zunächst.

Meine These in Frageform: Kann man ein Brettspiel nach nur einer selbst gespielten Partie soweit theoretisch analysieren, dass man in Folge unschlagbar wird?

Ich versuche mich also an El Paso. Jetzt möchte ich für niemanden das Spiel in seinen Möglichkeiten entzaubern, weshalb ich eine vorsichtige Spoiler-Warnung ausspreche, hier weiterzulesen. Auf eigene Gefahr und bitte ohne Erwartungen. Auch, weil meine Überlegungen gar völliger Mumpitz sein könnten. Im besten Falle taugen die zur Belustigung und Eurer Unterhaltung bei. Also folgt mir bei folgenden Überlegungen und der Begründung, warum ich mir da zu viel vorgenommen habe.

Im spielmechanischen Kern von El Paso bewegen wir uns auf einem Rundkurs von möglichen Aktionen hin zum fixen Aktionsfeld El Paso. Dort wird die eigene Kartenhand abgerechnet. Wer dort möglichst viele verschiedene und ebenso hochwertige Rinder vorweisen kann, der macht mehr Punkte. Je öfter im Spiel ich also nach El Paso komme, desto häufiger kann ich meine Kartenhand bei den Handelsposten in Punkte umsetzen. Allerdings benötige ich eine gewisse Steigerung in der Wertigkeit meiner Kartenhand, da ich die meisten Handelsposten in El Paso nur einmalig belegen und werten darf.

Ich sollte also zusehen, dass ich mein Kartenhandlimit vergrößere, um mehr Rinder auf der Hand halten zu dürfen. Zudem sollte ich meine Schrittweite erhöhen, um weniger Aktionen bis nach El Paso zu verbrauchen. Und ich brauche höherwertige Rinder als die Startrinder und sollte möglichst doppelte Rinder entsorgen, weil die für mich wertlos sind. Optimieren kann ich meine Punkteausbeute in El Paso zusätzlich durch Zertifikate, von denen ich einen ständigen Nachschub benötige, da sich diese bei Einsatz verbrauchen.

Alle Aktionsorte und gebauten Gebäude, die mich auf diesem Weg voranbringen, erhöhen meine Punkteausbeute. Alle anderen Aktionen kann und sollte ich vernachlässigen und sind nur Mittel zum Zweck, damit die eigenen Geldmittel nicht ausgehen sowie mich nicht in meinen Aktionsmöglichkeiten einschränken. Ok, es gibt noch diverse Nebenschauplätze und andere Möglichkeiten, um Punkte in der Schlusswertung zu machen. Aber aus Gründen der Vereinfachung dieser These lassen wir die einfach mal weg. Einverstanden?

So einfach geht El Paso und fast so einfach kann jeder von uns es auch erfolgreicher spielen. Aber spielmechanisch geknackt? Tja, dazu müsste ich wohl wesentlich tiefer in die Mechaniken von El Paso eintauchen. So tief, dass es meinen möglichen Aufwand hier klar überschreiten würde. Aber theoretisch durchaus möglich, mit unbegrenztem Zeiteinsatz dafür.

Wobei ich hinter der letzten Aussage noch ein Fragezeichen setzen möchte, denn was alles im Spielerkopf intensiv schön ausgedacht perfekt funktioniert, muss noch lange nicht am Spieltisch klappen. Zumal uns die lieben Mitspieler auch noch in die Quere kommen können, in dem Gebäude aus dem allgemeinen Vorrat weg gebaut werden oder die Laufwege nach El Paso durch fremde Gebäude verlängert werden. Zudem bestimmen die Mitspieler mit, wie lange eine Partie dauert. Jedes Mal, wenn ein Spieler nach El Paso kommt, kommen wir dem Spielende näher. Dabei ist völlig egal, wer das Spielende beschleunigt hat.

Wenn Ihr meiner These von oben folgt oder ebenso gerne dagegen argumentiert, bin ich auf Eure Meinungen wie auch Spielerfahrungen in den Kommentaren gespannt. Ganz nach unten scrollen und Euch dort beteiligen.

Ein Gedanke zu „El Paso: In der Theorie spielmechanisch knackbar?“
  1. Mein Fazit zu der These: Möglich, aber dann nur mit so viel theoretischer Detail-Analyse, dass die kaum jemand leisten mag, selbst bei so einem nur mittelkomplexen Spiel wie El Paso. Ich habe es versucht, dann aber gemerkt, wie tief und intensiv man alles am Spiel durchdenken müsste. Eigentlich eine gute Nachricht, weil so bleibt der Spielreiz am Tisch erhalten.
    Was meint Ihr?

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