Da gab es mal dieses Weinspiel von eggertspiele. Spielmechanisch spannend und durchaus herausfordernd. Wir bauen unseren Weinberg auf und machen allerlei Winzerarbeit. Eigentlich ein tolles Spiel, wäre da nicht die eine Extremstrategie gewesen, die alles kaputt machte. Und ich meinte dann, als Reaktion dazu noch völlig überzogen einen draufsetzen zu müssen. Inzwischen weiß ich es besser. Denn Worte können verletzten, denn Worte haben Macht.
Rückblick kurz nach der Jahrtausendwende. Ich wollte zu der Zeit damals ganz clever sein. Als Content-Manager bei GameChannel unter dem Dach von RTL New Media in Köln Ossendorf wurde uns ein Text-Trainer zur Seite gestellt. Der kam von der BILD-Redaktion und meinte, dass wir für die Artikel unserer Webseite doch bitte für die Headline mindestens genauso viel Zeit aufwenden sollten, wir für den Artikeltext selbst. Weil gute Headlines ziehen die Leute in den Artikel. Und darum geht es doch. Deshalb sollte die Headline möglichst provokant und reißerisch sein. Emotionen wecken und erzeugen. Das wäre gut und daran sollten wir arbeiten.
Tja, und genau an diesen Übereifer habe ich mich Jahre später erinnert und in mein Privatleben übernommen, wenn ich im spielbox-Forum über meine diversen Spieleerfahrungen geschrieben habe. Natürlich meinungsstark und in der selbst gewählten Headline des Forenthreads schön reißerisch.
Da kam mir die Spielerfahrung mit Grand Cru vom Autor Ulrich Blum gerade recht. Das war keine gute Erfahrung in erlebter Viererrunde. Denn das Spielgeschehen kippte schnell und ein Mitspieler entdeckte ein regelkonformes Schlupfloch, bei dem er immer etwas mehr Geld pro Spielrunde machen konnte als wir anderen. Das waren zwar nur Kleinstbeträge, aber in der Summe war das der nicht einzuholende Spielsieg.
Allerdings zog sich dadurch das eigentlich auf 60 bis 120 Minuten angesetzte Spiel in unendlich erscheinende Ewigkeiten. Denn wir Spieler waren selbst dafür verantwortlich, das Spielende auszulösen. Und so krochen wir mit minimaler Zuganzahl pro Runde dem Spielende entgegen und wussten längst, dass wir alle verloren hatten. Nicht nur die Spielpartie, sondern auch den vorab noch vorhandenen Spielspaß an Grand Cru.
Das Spiel war damit in unseren Spielrunden seit dem verbrannt und kam nie wieder auf den Tisch. Eben, weil sich dieses regelkonforme Schlupfloch in jeder kommenden Partie hätte reproduzieren und erneut abspulen lassen. Nur diesen grausam langweiligen Schneckenmarsch wollten wir uns niemals mehr antun.
Soweit die Vorgeschichte und was dann von mir folgte, war meine öffentliche Hinrichtung von Grand Cru. Als „Sondermüll für Vielspieler“ im spielbox-Forum bezeichnet und reißerisch in die Online-Welt heraus geschrienen, um möglichst viel Aufmerksamkeit zu bekommen. Der Text-Trainer von BILD hätte wohl anerkennend genickt.
Ich selbst habe in meiner Verblendung, wie clever ich doch eine Spieleneuheit nicht nur kritisieren, sondern begründet zerreißen kann, eines nicht mitbekommen: Hinter jedem Spiel sitzt auch ein Autor und eine Redaktion und ein Verlag und das sind Menschen. Menschen, die durch Worte verletzt werden können. Falsch! Meine Worte, die verletzt und geschadet haben. Selbst wenn der Kern meiner Kritik wahr war, so waren die von mir gewählten Worte schlicht unnötig und weit übers Ziel hinausgeschossen.
Das war mir eine Lehre, weil mir erst später bewusst wurde, was ich da getan habe. Selbsterkenntnis ja, aber viel zu spät. In einem spielbox-Heft meine ich im Interview mit dem Autor von Grand Cru die Folge meiner Worte herausgelesen zu haben. Nicht direkt an mich gerichtet, sondern halb zwischen den Zeilen versteckt. Mein schlechtes Gewissen hat sich das eventuell auch nur eingeredet und auf mich zurückprojiziert, was ich da getan hatte. Noch viel später habe ich dafür öffentlich um Entschuldigung gebeten. Ob und wer meine Entschuldigung angenommen hat, weiß ich allerdings nicht, weil ich viel zu feige war, die persönlich zu adressieren – an den Autor, die Redaktion und den Verlag.
Jahre später gibt es nun mein Projekt brettspieltag.de und eines meiner von mir aufgestellten Grundregeln ist: „Wir sind nett und schauen stets entspannt positiv auf alles. Wir sind nicht hasserfüllt und niemals beleidigend.“ Weil den Sondermüll-Ausfall damals von mir, den möchte ich nicht wiederholen. Ich hoffe, das gelingt mir auch. Und wenn nicht, dann sagt oder schreibt es mir bitte.