Mit nur 16 Spielzügen bauen wir nicht nur eine ganze Zivilisation auf, sondern spielen uns auch zum hart umkämpften Sieg. Dabei geht es trotz Mehrheitenwertungen eher friedlich zu, denn direkte kriegerische Aktionen kennt das Expertenspiel vom Autor Stan Kordonskiy nicht. Trotzdem ein intensives Denkfest für Eurogame-Liebhaber, die etwas Zeit mitbringen.
Wir befinden uns zeitlich am Anbruch der Bronzezeit. In entspannter Dreierrunde haben wir uns um eine weitere Essen-Neuheit von 2024 versammelt, die ich bisher so völlig übersehen hatte. In einem Eurogame für Expertenspieler verpackt, sind wir ein Mitglied eines der glorreichen minoischen Stämme. Es soll unsere vom Spiel gegebene Bestimmung sein, den angesehenen Titel des Minos zu erringen. Dabei sind die Minoer für ihre Bemühungen um Frieden und Wohlstand bekannt, weshalb unser Fokus auch auf der Kunst des Verwaltens und Kultivierens der Einzigartigkeit unseres Stammes liegt.
Soweit der thematische Rahmen, den Autor Stan Kordonskiy aufgespannt hat. Wir haben die englischsprachige Version von Minos vom Verlag Board&Dice gespielt. Wer hingegen die Spielübersicht wie das Regelwerk auf Deutsch haben möchte, greift bei Giant Roc zu. Ansonsten ist Minos komplett sprachneutral. Auch auf seinen Karten, die zwar schön illustrierte Abbildungen bieten, allerdings die Szenerie nicht benennen. So habe ich mir halt meinen Spaß damit gemacht, zu erraten und zur Freude meiner Mitspieler zu benennen, was die abgebildeten Leute denn da alles so treiben. Denn ansonsten gibt es in dem eher denklastigen Spielverlauf eher wenig zu Lachen, höchstens darüber, was ich mal wieder alles an Möglichkeiten in meinem Spielzug übersehen habe.
Denn die 16 Spielzüge, die wir über vier Spielrunden zur Verfügung haben, die wollen gut geplant sein. Und mit dieser Vorabplanung fängt auch jede Runde an. Vier unserer Würfel-Untersetzer wollen mit passenden Würfeln aus dem vorab gewürfelten Pool an W6-Würfeln bestückt werden. Reihum und direkt auf eine der fünf Aktionsmöglichkeiten eingesetzt. Niedrige Zahlen lassen uns dabei mächtigere Aktionen planen, da die weiter links im Würfel-Einsatzbereich der Aktionen platziert werden.
Allerdings führen wir nachher in der Aktionsphase, nachdem wir alle Mitspieler ihre vier Aktionen geplant haben, unseren Würfel mit dem höchsten Wert zuerst aus. Das sind dann meist schwächerer Aktionen, weil uns bis dahin die Mitspielerwürfel beim Einsetzen längst aufsteigend nach rechts verdrängt haben. Zudem wollen wir auch noch die Würfelsumme von mindestens neun in den drei Fortschrittsleisten-Farben erreichen, weil das bringt uns dort einen Schritt voran.
Es gibt also viel zu bedenken und vorzuplanen. So setzen wir reihum Würfel ein und hoffen stets dabei, dass wir nach aller Planung auch das machen können, was wir uns in der benötigten Stärke der Aktion erhofft haben. Allerdings wählen wir nicht beliebige Würfel und Aktionen, sondern versuchen zusätzlich Effekte unserer Karten, die wir vorab unter unser Spieler-Tableau gespielt haben, aktivieren zu können. Nur so nutzen wir das Potenzial unserer 16 Spielzüge optimal aus.
Mich persönlich hat das im Erstkontakt dann doch überfordert. Viel Planung, ohne das alles direkt auszuführen, sondern erst später geballt am Stück. Das erforderte für mich viel Denkarbeit, die leider ebenso viel Bedenkzeit beansprucht hat. Auch deshalb war unsere Partie eher doppelt so lang wie die 90 bis 150 Minuten laut Schachtelaufdruck.
Zudem und das muss man als Minos-Spieler schlicht akzeptieren, dauert die Ausführung einer einzelnen Aktion seine Zeit. Denn wenn ich drei Handkarten ausspielen darf, haben diese drei Karten noch jeweils andere und teils mehrfache Aktionen, die ebenfalls untereinander koordiniert werden wollen. Dazu kommen freie Aktionen über Axt-Marker, die wir im Laufe der Partie sammeln und uns wesentlich flexibler in unserem Aktionsspektrum machen. Und nicht vergessen, da sind noch diese Karteneffekte von unseren Tableau-Karten.
Deshalb sehe ich Minos als zeitintensives Optimierspiel im Genre der Zivilisations-Eurogames. Mit etwas mehr Spielerfahrung lässt sich das sicher alles beschleunigen, von der Denke bis zur Ausführung. Aber in der Gewichtsklasse eine Civolution, Seti oder auch Men-Nefer spielt Minos nach meiner auf einer Partie begrenzen Spielerfahrung allemal.
Langatmig fühlte sich das für mich allerdings so gar nicht an. Während der Mitspielerzüge hatte ich stets ausreichend zu tun – mit mir selbst und meinen Aktionsoptimierungen und was die lieben Mitspieler so alles in der Kartenauslage und auf der zentralen Landkarte so alles verändern. Zwar ist Minos nur indirekt interaktiv, denn wir greifen uns nicht gegenseitig an, haben aber Mehrheitenwertungen mit Belohnung von Dominanz und Präsenz. Unser Spieler-Tableau, das uns Städte und Festungen sowie Schiffe und Bäume bauen und anpflanzen lässt, wollen wir ebenso leer spielen. Und dann gibt es ja noch die drei Fortschrittsleisten, die unsere Punktewertung verbessert oder uns Einmalbelohnungen geben.
Ich hatte den Zivilisationsvorteil, dass die Ausspielkosten meiner Handkarten verringert wurden. Also war für mich klar, dass ich viele Handkarten brauchte und ebenso viele davon ausspielen sollte. Da das trotz Rabattvorteil weiterhin Geld kostete, versuchte ich zunächst möglichst viele dauerhafte Rohstoffmarker zu bekommen, welche die Ausspielkosten noch weiter verringerten. Das hat scheinbar gut geklappt, allerdings enteilte uns dabei eine Mitspielerin, die einen Punktebonus bei jedem Bau für sich beanspruchen konnte.
Nur zwischenzeitlich lag ich mal in Führung. Zwischenzeitlich deshalb, weil ich im Anschluss die 10 ausgerufenen Bonuspunkte für diverse Spielleistungen unterschätzt und viel zu wenig Karten unter meinem Spieler-Tableau gespielt hatte. Damit holte ein weiterer Mitspieler enorm auf, der das ganze Spiel eher abgeschlagen zurücklag. Am Ende sah ich mich mit 172 Punkten auf Platz 3 wieder, während meine Mitspieler mit 184 und 191 Punkten die beiden vorderen Plätze unter sich ausmachten.
Was bleibt, ist mein Fazit nach dieser Erstpartie: Minos bietet viel. Das fängt vom Spielmaterial an und geht bis zu den Möglichkeiten, die das Spiel bietet, seine Siegpunkte zu machen. Irgendwie macht man schon seine Punkte. Die wahre Kunst ist allerdings, seine Aktionen so koordiniert zu planen, dass auch etwas Sinnvolles in Sachen Punkteausbeute dabei herausspringt.
Die einzelnen Spielmechaniken sind nicht neu, aber hier wieder einmal gut und gefällig kombiniert. Das Draften der Würfel und der Aktion-Einsetz-und-Verdrängungs-Mechanismus empfand ich als spannend, während die eigentliche Aktionsausführung dann als Umsetzung der erhofften Pläne leider etwas zu zeitintensiv war. Umfangreiche Aktionen dauern halt und das bei jedem Mitspieler. In seinem Genre durchaus eine Empfehlung, sofern man mit einer doch langen Spielzeit leben kann.