Ansprechend farbenfroh, schön thematisch und mit hochwertigem Spielmaterial wird Kauri zum wahren Hingucker auf dem Spieltisch. Doch vorsichtig, auch wenn die vier ganz unterschiedlichen Charaktere im Spiel eine hohe Wiederspielbarkeit versprechen, ist die Empfehlung zum Kennerspiel des Jahres bei einigen meiner Mitspieler im Erstkontakt durchgefallen.
Unbestritten, nicht jeder muss jede Neuheit auf dem Brettspielmarkt gleichermaßen lieben oder gut finden. Die Spiele-Geschmäcker sind halt verschieden und das ist gut so. Gibt es doch ausreichend Auswahl, um seine Lieblingsgenres für sich zu finden. Und ebenso zu erfahren, welche Spielmechanismen einem weniger bis so überhaupt gar nicht gefallen. Die lokalisierte Neuheit von Koalla Spiele ist da nur ein weiterer Wegstein zur Formung des eigenen Spielegeschmacks. Der ist so subjektiv eigen, dass ich gar nicht mit Argumenten dagegen sprechen, sondern höchstens ergründen kann, warum Kauri bei einigen meiner Mitspieler durchgefallen ist, während andere es hingegen faszinierend finden.
Ich selbst habe Kauri auf dem SpieleWahnsinn in Herne kennengelernt und direkt an zwei Messetagen mitgespielt. Im Vorfeld wurde das Spiel als „Root auf Familienspiel-Niveau“ bezeichnet und eingeordnet. Das hörte sich gut an, denn Root mag ich und ebenso Spiele, die nicht ganz so denkintensiv sind. Somit für mich persönlich eine perfekte Mischung, denn Root hat doch eine enorme Erklärhürde für Erstspieler und wurde deshalb in den letzten Monaten gar nicht mehr in meinen Runden gespielt.
Zudem benötigt Root für ein gutes und das heißt ausbalanciertes Spielerlebnis eine Spielrunde von vergleichbar erfahrenen Mitspielern. Ansonsten gerät das fragile Gleichgewicht allzu schnell im Schieflage und Mitspieler werden aus reiner Unwissenheit bevorzugt oder benachteiligt. Für den Neuling am Tisch kann so eine Partie dann schnell frustrierend werden, wenn so gar nichts klappt oder er von seinen Mitspielern zugelabert wird, wie er doch bitteschön am besten agieren sollte. Alles schon erlebt.
Der Aufwand, um Root einem Erstspieler nahezubringen, nur um dann mitzuerleben, dass ein solch konfrontatives und dazu noch asymmetrisches Spiel gnadenlos durchfällt, ist enorm und dann auch leider verschenkt. Da mag Root noch zu putzig mit seinen niedlichen Holzmeepeln aussehen, es ist ein reißerischer Wargame-Wolf im Eurogame-Schafspelz. Eurogames mögen viele, aber Wargames bilden weiterhin ein Nischengenre, das für sich schon sehr speziell ist und deshalb die Mitspielerschaft spaltet.
Kauri könnte genau diesen Einstieg in asymmetrische Spiele erleichtern. Konfrontativ geht es auf Neuseeland ebenfalls zu, wenn wir in den letzten 200 Jahren um die Vorherrschaft auf der Insel kämpfen. Und jeder am Spieltisch hat seinen eigenen Charakter mit einem eigenen Set an Aktionen, Besonderheiten und Punktewertungen. So wird der flugunfähige Kiwi durch seinen schrumpfenden Lebensraum bedroht, hat aber die Naturgewalten auf seiner Seite. Die Maori als Ureinwohner Neuseelands wollen hingegen ihre Kultur verteidigen und dazu Tempel errichten. Die Engländer fangen als Holzfäller an und werden später zum Ranger, weil die das Possum eingeschleppt haben, was als invasive Art massiv das Gleichgewicht stört.
So unterschiedlich diese vier Charaktere auch sind, der eigentliche Spielablauf ist angenehm einfach gehalten. Nachdem der Spielaufbau erledigt ist, der übersichtlich auf der Vorderseite jedes Charakterhefts beschrieben ist, kann es auch direkt losgehen. Hier muss ich meinen einzigen Kritikpunkt an Kauri anmerken, weil wir genau darüber gestolpert sind. Die Reihenfolge des Spielaufbaus, also wer nach wem einsetzt, ist nur in der Anleitung beschrieben. Eine Durchnummerierung auf dem Charakterheft hätte hier geholfen. In Kombination Charakterheft und doppelseitiger Übersichtskarte für den Rundenablauf und das Periodenende habt Ihr alle notwendigen Spielregeln allerdings immer im Blick. Das gefällt mir, weil da hat sich jemand Gedanken gemacht.
Dabei bietet das individuelle Charakterheft noch mehr. So ordnet es thematisch die Rolle des Charakters ein und gibt auf der Rückseite Spieltipps für die erste Partie. So angeleitet, wisst Ihr einmal wer Ihr überhaupt seid und in welchem Rahmen ihr agiert. Der Rest zeigt sich in der laufenden Partie und diese Ersterfahrung kann Euch niemand abnehmen. Also einfach das eigene Kartendeck aus neun Spielkarten mischen, davon drei auf die Hand ziehen und eine davon aus Aktion auswählen, eine andere Karte als Initiative-Wert und die letzte Karte für die nächste Runde aufsparen. Fertig. Da das alle zeitgleich machen, war in meinen Partien die Wartezeit angenehm minimiert. Wer seine Aktions-Möglichkeiten nicht versteht, schlägt die Innenseite seines Charakterheftes auf und findet dort die kurze wie genaue Erklärung. So kann ich nach und nach meine Aktionen erkunden.
Die Erstpartie verstehe ich in Kauri als reine Kennenlernpartie. Selbst wenn ich dank der Spielhilfen meine Charaktermöglichkeiten so halbwegs kenne, sind mir die Möglichkeiten meiner Mitspieler noch unbekannt. Spielrunden, die mit mehr Wissen in ihre Erstpartie gehen möchte, könnten die letzte Seite der Spielregel gemeinsam zu Rate ziehen und sich die Spieltipps für jeden mitspielenden Charakter vorlesen. Dort wird auch nochmal die individuelle Punktewertung erklärt.
Auf dem SpieleWahnsinn in Herne wie auch in meiner privat gespielten Partie haben wir diesen Teil der Spielvorbereitung allerdings übersprungen. Im Nachhinein eventuell ein Fehler. Da hätte ich meine Mitspieler besser kennen sollen, denn wer eher aus der Eurogame-Ecke kommt, der profitiert dann doch von dem Wissen, was die lieben Mitspieler so alles können und wollen, um darauf vorbereitet zu sein und sich nicht zu sehr vom überraschenden Chaos gespielt zu fühlen. Deshalb mein Tipp: Nehmt Euch die Extrazeit dafür, denn einen ersten negativen Eindruck werdet Ihr kaum revidieren können.
Neun verschiedene Spielkarten pro Charakter, das klingt nicht nach viel Varianz. Allerdings haben einige Karten zwei Aktionen, die man beide ausführen darf oder eben nur eine davon. Dazu kommt noch die Vermächtnis-Karte, die pro Charakter eine Sonderaktion auf den individuellen Charaktertafeln wählen und ausführen lässt. So kann der Kiwi-Spieler den zentralen Vulkan ausbrechen lassen, die Maori können ihre Tempelwertung erhöhen, der Engländer kann mit einer zweiten Spielfigur einwandern, während das Possum sich durch Fruchtbarkeit zusätzlich vermehren kann. Soweit nur jeweils ein Beispiel pro Charakter, deren es drei bis vier auf jeder Charaktertafel gibt. Dadurch wurde jede von mir mitgespielte Partie dramatisch anders.
In diesem Ungleichgewicht der konfrontativen Kräfte agieren wir nun im Spielsystem von Kauri. Fünf Perioden mit jeweils vier Runden ermöglichen uns, die Hälfte unserer Kartenaktionen jede Periode auszuspielen. Da wir zudem immer eine Handkarte mit in die nächste Runde nehmen, können wir so wesentlich gezielter spielen und Aktionen sinnvoll aufeinander folgen lassen. Wir sind allerdings nicht alleine auf Neuseeland, sondern unsere Mitspieler funken uns gehörig dazwischen. Wo eben noch eine Aktionsmöglichkeit gegeben war, kann sich aufgrund einer späten Initiativwert-Aktion ein erdachter Plan ins wortwörtliche Nichts auslösen. Besonders bei Erstspielern habe ich öfters Aktionen gesehen, die so völlig ins Leere liefen, was im wiederholten Fall als frustrierend empfunden werden kann.
In welcher Reihenfolge und Zusammensetzung wir unsere neuen Spielkarten auf die Hand bekommen, das ist und bleibt zufällig. Mit diesem Zufall muss man in Kauri leben können. Allerdings verringert sich dieser Zufall, wenn wir mit etwas Spielerfahrung unser Kartendeck besser in seinen Kombinationsmöglichkeiten kennengelernt haben. Auf eine ganz bestimmte Karte zu hoffen, ist aber weiterhin Zufall. Besser hingegen, wenn wir Aktionen nutzen, um ganz sicher kommende Kartenaktionen vorzubereiten.
Kauri spielt sich eben sehr dynamisch und auch situativ im Rahmen seiner Kartenhand-Möglichkeiten. Das muss man mögen wollen. Die absolute Kontrolle haben wir nie und schon deshalb nicht, weil wir im Geflecht der Mitspieler von deren Aktionen profitieren können oder das Ziel davon sind. Denn am Spielende kann nur einer von uns gewinnen. Lieb und nett findet woanders statt. Das sollte Euch klar sein.
Kauri bleibt ein direkt auf die Mitspieler gerichtetes konfrontatives Spiel. Was ich für mich aufbaue, das behindert oder schadet im besten Fall meine Mitspieler. Besonders der Kiwi-Spieler muss dabei enorme Nehmerqualitäten zeigen. Denn mehr potentielle Punkte wie zu Beginn des Spiels wird er nie mehr haben. Es geht nur noch bergab mit den Siegchancen und diese Verdrängung der eigenen Art gilt es möglichst effektiv zu bremsen, denn aufzuhalten ist die nicht. Dem gegenüber steht das Possum. Erst mit nur vier Tieren gestartet, gilt es, sich schnellstmöglich dorthin auszubreiten, wo man nicht direkt wieder Opfer seiner Mitspieler wird.
Der Engländer wie auch die Maori spielen sich etwas komplexer, eben weil der Engländer im Spielverlauf sein Gewissen entwickelt und damit die Möglichkeit, Siegpunkte zu sammeln, umschwenkt und ganz anders wird. Die Maori agieren hingegen eher unscheinbarer, haben aber über direkt drei Möglichkeiten an Siegpunkte zu kommen, die größte und oftmals unterschätzte Varianz im Spielverlauf. Nicht einfach zu spielen, weil nur sehr vorausschauend zielgerichtetes Spiel einen Tempel bauen lässt, da diese viele Vorbedingungen erfordern, die zusammenkommen müssen. Nur aufs Beste hoffen, ist da selbst erlebt keine gute Taktik.
Somit haben wir vier Spiel-Charaktere, die in ihrer besonderen Art durchaus unterschiedliche Spielertypen ansprechen können. Wer asymmetrische Spiele mag und auch spielend erkunden möchte, der sollte sich bei der Charakterwahl ganz hinten anstellen. Denn der wird mit jedem Charakter bestens zurechtkommen. Unerfahrenen Spielern empfehle ich entweder den Kiwi oder das Possum, eben weil die sich recht gradlinig spielen. Allerdings hat der Kiwi einen Stolperstein, den über eine Sondereigenschaft kann er ein Vermächtnis eines Mitspielers verfluchen, sodass der doppelte Vermächtniseinsatz benötigt wird, um diese Eigenschaft bei sich nutzen zu können. Wer Kauri das erste Mal mitspielt, kennt die ganzen Vermächtnisse der Mitspieler noch nicht. Deshalb empfehle ich, die verschiedenen Sondereigenschaft vor Spielbeginn einmal ganz grob durchzugehen. Ob das notwendig ist, solltet Ihr davon abhängig machen, ob der Kiwi-Spieler eine wissend-kontrollierte Eurogame-Umgebung bevorzugt oder damit ok ist, spontan im Spielverlauf zu entscheiden.
Einen letzten Rat gebe ich Euch noch mit: Sprecht darüber, was Ihr vorhabt und scheut Euch ebenso nicht, Euch situativ zu verbünden und abzusprechen. Findet dabei den durchaus schmalen Grat zwischen dem gemeinsamen Verständnis der Spielbrett-Situation und der drohenden Bevormundung Eurer Mitspieler, die sich dann gespielt fühlen könnten. Kauri lebt von der Interaktion untereinander, trotzdem sollte es fair bleiben, denn es geht nicht darum, jemanden vom Spielbrett zu fegen. Ihr alle seid selbst dafür verantwortlich, das fragile Gleichgewicht der Mitspieler-Kräfte im Auge zu behalten. Denn was einem schadet, das nützt wiederum anderen Spielern. Jeder hat in Kauri seine Rolle, sodass ein von allen Seiten zu sehr dezimiertes Possum zwar scheinbar eindrucksvoll nach tollem Teamwork aussieht, aber den Kiwi-Spieler lachend im Vorteil zurücklässt.
Das alles kann in einzelnen Partie durchaus ins Extreme kippen, auch weil jeder erst einmal die Auswirkungen seiner Aktionen kennenlernen muss. Das kann dazu führen, dass sich einzelne Spieler von ihren Mitspielern überrumpelt fühlen. Wenn dann noch eine blöde Kartenreihenfolge auf die eigene Hand kommt und man sich hilflos dem Spielgeschehen ausgeliefert fühlt, dann kann ich mehr als nur nachvollziehen, warum einem Kauri nicht gefällt. Andere Spiele, die mehr in Richtung solitäre Eurogame-Aufbau-Optimierung tendieren, sind dann die zum Genre-Geschmack besser passenden Spiele.
Kauri ist weiterhin eines meiner aktuellen Lieblingsspiele. Allerdings verstehe ich ebenso gut, warum es nach einer blöd gelaufenen Erstpartie abgelehnt wird. Am Ende hat jeder seine eigenen Spielvorlieben und die sollte Ihr auch niemanden ausreden wollen. Deshalb spiele ich Kauri gerne wieder, allerdings werde ich in Zukunft vorausschicken, dass Kauri direkt konfrontativ ist, durch seine Asymmetrie und zufällige Kartenreihenfolge in der Erstpartie als reine Kennenlernpartie der Möglichkeiten begriffen werden sollte und es durchaus passieren kann, das Partien ihre Schieflage bekommen.
Allerdings ist Kauri auch ein spielenswertes Erlebnis, für das es sich lohnt, eine gute Stunde inklusive Regelerklärung zu investieren. Weil spätestens nach der Erstpartie werdet Ihr für Euch wissen, ob Ihr Kauri niemals mehr mitspielen wollt oder Ihr ebenfalls ein neues Lieblingsspiel gefunden habt. Kauri polarisiert und das ist kein schlechtes Zeichen, weil es eben ganz gewisse Spielertypen anspricht anstatt rundgeschliffen und weichgespült allen gefallen zu wollen. Ich mag Kauri und fiebere kommende Partien entgegen, ob mit Veteranen oder Erstspielern gespielt.
Kauri polarisiert. Das haben meine bisherigen Spielrunden gezeigt. Die direkte Konfrontation muss man schon mögen. Zudem zeigte sich auch, dass eine vollbesetzte 4er-Runde bevorzugt wird und wenn die nicht vorhanden ist, dann wurde bisher lieber etwas anderes gespielt, mit den Worten „lass uns Kauri lieber aufsparen, wenn wir das in Vollbesetzung spielen können“. Auf der anderen Seite hat Kauri auch mit dem Vorurteil zu leben, dass es zu seicht und zufällig wäre und deshalb von Expertenspielern schon vor der ersten Partie abgelehnt wird. Tja und da ich niemanden zu einem Spiel zwinge, blieb es in naher Vergangenheit leider öfters doch ungespielt.