Spieleneuheiten sind toll und müssen mindestens besser sein als all das, was zu Hause im eigenen Spieleschrank auf einen wartet. Dabei ist so eine Spielemesse eventuell gar nicht eine ideale Umgebung, um im Euphorie-Rausch wirklich nachhaltig überzeugende Neuheiten zu kaufen. Mein persönlicher Erfahrungsbericht über weggeblasene Erwartungen.

Kennt Ihr das auch? Ihr setzt große Hoffnungen in eine Spieleneuheit. Eventuell war die halbe Kennenlernpartie auf der Messe sogar so stark, dass Ihr das Spiel direkt und überteuert vor Ort gekauft habt. Hauptsache haben und dieses euphorische Messe-Erlebnis zu Hause und in privaten Runden immer und immer wieder reproduzieren können. Klingt toll und dafür lohnt sich der Aufpreis allemal. Und dann schlägt die Ernüchterung zu. Die erste eigen-zelebrierte Spielpartie läuft unrund, es will kein wirklicher Spielfluss aufkommen und Spielspaß ist wie weggeblasen, auch nur so halb vorhanden.

Im Rückblick dämmert Euch dann so langsam die Erkenntnis, dass bei der Messe-Partie doch nicht alles mit rechten Dingen zuging. Ob ganz bewusste Absicht dahintersteckte, um die präsentierte Neuheit nur im allerbesten Licht erstrahlen zu lassen, während die nun für Euch umso sichtbaren Schwachpunkte ausgeblendet und verschwiegen wurden? Schwierig zu beurteilen, aber ein blödes Bauchgefühl bleibt, dass man Euch doch irgendwie über den Tisch gezogen hat. Ob mit Absicht oder nicht, ist dabei eigentlich auch egal. Weil Ihr sitzt indessen mit dieser tollen Spieleneuheit zu Hause und merkt immer mehr, dass das ein totaler Fehlkauf war.

Ein Fehlkauf, der mal so keine Eurer hohen Erwartungen einlösen konnte. Aber eventuell war diese krumme eigene Erstpartie fernab des Messegeschehens ja nur eine ganz blöd gelaufene Ausnahme? Kann ja mal passieren. Oder die lieben Mitspieler oder auch eine ebenso blöde Stimmung am Tisch war schuld. Eventuell hat sich ja auch ein dummer Regelfehler eingeschlichen? Oder doch nur eine falsche und übersteigerte Erwartungshaltung an das Spiel? Egal, also nochmal an einem anderen Tag in anderer Runde spielen. Tja und auch da will das Spiel nicht funktionieren. Die Schwächen werden immer greifbarer und lassen sich auch nicht wegdiskutieren. Eure teuer gekaufte Neuheit ist einfach ein schlecht zusammengestückeltes Spielwerk.

Aber wie kann so etwas passieren? Der Verlag wie auch Autor musste doch die spielmechanischen Schwächen gesehen haben. Warum wurde da nicht gegengesteuert und abgeändert? Und warum wurde auf der Messe keine wirkliche Partie gespielt, sondern nur Spielsituationen aufgestellt, gezeigt und erklärt, was da nun alles Aufregendes passiert und möglich ist? Fragen über Fragen, aber klar ist mir (und eventuell Euch?) inzwischen, dass die Spielvorstellung eindeutig gescriptet war und einem festen Ablaufplan entsprungen ist. Einen Ablaufplan, der nur die innovativ-tollen Aspekte des Spiels betont hat und das so intensiv, dass zwei von drei von uns diese Messeneuheit direkt gekauft haben. Nur einer von uns hat damals auf sein Bauchgefühl gehört, das wir allerdings in aller Euphorie ignoriert hatten.

Derweil wurde dieses Spiel längst verramscht. Es spricht sich halt herum, wenn Spiele nicht so gut sind, wie zunächst angepriesen. Es war ein Erstlingswerk, dem auch keine weiteren Spiele des Autors folgten. Eine Veröffentlichung im Eigenverlag, den es längst nicht mehr gibt. Ich selbst konnte mein Exemplar irgendwann mit Verlust verkaufen, weil mitspielen wollte es in meinem Umfeld sowieso keiner mehr. Schade und für mich eine ganz besondere Erfahrung, dass sich die besondere Atmosphäre einer Spielemesse nicht immer zu Hause am Spieltisch reproduzieren lässt. Ich verbuche das alles inzwischen als Erfahrung und zumindest für diese eine Anekdote taugte das Spiel dann doch noch.

Ein Gedanke zu „Vorsicht Brettspielfalle: Blender der Messe-Euphorie“
  1. Zur Klarstellung: Mein Zwischenruf ist keine Anklage gegen all die ganzen Spielerklärer und Supporter da draußen, die auch mir am letzten Messetag weiterhin geduldig trotz wundgeredeter Stimmbänder die vielen Spieleneuheiten auf diversen Messen näherbringen und selbst ebenso begeisterte Spieler sind. Vorbereitete und auch verkürzte Messepartien sind gut und notwendig und auch nicht das Problem. Problematisch kann es nur werden, wenn gezielt Spielsituationen präsentiert werden und man selbst diese halb geführt nachspielt, um die Höhepunkte der Neuheit zu erleben. Dabei aber die ganzen spielmechanischen Schwächen dazwischen weggelassen werden, sodass ein verfälschter Gesamteindruck entsteht, der zum Kauf verführt. Klar darf ein Eigenverleger von seinem ersten Spiel überzeugt sein, nur solltet Ihr in aller Messe-Euphorie einen kühlen Kopf bewahren, Euch zwar gerne begeistern lassen, aber auch selbst hinterfragen, ob sich diese Neuheit auch zu Hause am Spieltisch so gut spielen lässt oder was davon nur eine blendende Messe-Inszenierung ist. Solche Erlebnisse sind bisher bei mir die Ausnahme geblieben, weshalb der Auslöser dieses Zwischenrufs auch schon gut neun Jahre zurückliegt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert