In dem kooperativen Deduktionsspiel wachsen wir nicht nur mit den vorliegenden Aufgaben, sondern müssen auch eine ganze Menge an bewährten Denkmustern über den Haufen werfen, wenn wir uns an spätere Missionen wagen. Grenzt das nicht an Überforderung und wird zum Frust, wenn wir wiederholt scheitern? Taugen diese Spielerfahrungen damit wirklich noch zur Leichtigkeit eines Spiel des Jahres? Mission 21 hat mich arg verunsichert.
Ich weiß, meine hier dargelegte Meinung ist umstritten und wird auch nicht jedem gefallen. Vor allem nicht jenen, die Ihre Spieleneuheit ganz weit oben sehen, wenn es um die Auszeichnung der Spiel des Jahres Jury geht und keinerlei störende Gedankengänge gebrauchen können. Weil da hängen auch ganz viele und bedeutende wirtschaftliche Interessen daran. Ein Spiel des Jahres verkauft sich nun mal weitaus besser, eben weil es eine weitaus größere Zielgruppe und Verbreitung im Handel findet. Aber es soll doch beim Spiel des Jahres um eine zielgruppengerechte Einordnung gehen, welche Spiele so herausragend in einem Jahrgang sind, dass diese eine Auszeichnung verdienen.
Und da gibt es auch für mich persönlich keine Frage. Bomb Busters vom Autor Hisashi Hayashi ist ein ganz besonderes Spiel und auch Spielerlebnis. Das letzte Mal habe ich es bei Auf den Spuren von Marco Polo sowie davor bei Agricola erlebt, dass eine Neuheit so oft und oftmals in meinen Spielrunden auch zeitgleich mehrmals auf den Tisch kommt. Auf den Spuren von Marco Polo landete 2015 allerdings nur auf der Empfehlungsliste und musste sich Colt Express geschlagen geben. Agricola wurde nur mit dem Sonderpreis „Komplexes Spiel 2008“ bedacht.
Bomb Busters ist hingegen für das Spiel des Jahres 2025 nominiert. Zusammen mit Flip 7 und Krakel Orakel, die ich in ihrem Genre ebenfalls gut und durchaus preiswürdig finde. Nur eines fällt auf: Flip 7 hat auf Boardgamegeek eine Komplexität von 1,07 und Krakel Orakel bringt eine 1,22 auf die Komplexitäts-Waage. Echte Leichtgewichte und damit auch perfekt für alle geeignet, die keinen Brettspielfreak griffbereit haben, der mal spontan auswendig die Regeln erklären kann. Bomb Busters hat eine BGG-Komplexität von 1,97 und ist damit im Direktvergleich eine Stufe schwergewichtiger eingeordnet – „medium light“ statt nur „light“.
Bis vor drei Wochen hätte ich das alles abgenickt und zugestimmt. Dann ergab sich allerdings die Gelegenheit, eine Bomb Busters Mission aus der zweiten von fünf Überraschungs-Boxen zu spielen. Keine Panik, ich verrate hier nichts, denn den Spielspaß das alles selbst für Euch zu entdecken, werde ich Euch nicht nehmen. Nur soviel sei gesagt, wir in unserer entspannten Runde aus Bomb Busters Veteranen, die alle schon intensiv und mehrmals die Missionen 1 bis 19 gespielt hatten, waren mit dem erlebten neuen Konzept aus dieser zweiten Überraschungs-Box völlig überfordert. Plötzlich funktionierten unsere erprobten Deduktions-Strategien nicht mehr und es brauchte ein Umdenken, das wir an diesem Tag schlicht nicht erfolgreich leisten konnten. Die Folge waren zwei hintereinander verlorene Partien, in denen wir so absolut kein Land sahen, diese Mission lösen zu können. Wie ein „medium light“ Spiel fühlte sich das für mich absolut nicht mehr an – und das war erst Mission 21 von 66.
Und genau da stellte sich mir die eine Frage, die sich zu einem Fragenkomplex ausgeweitet hat: Wenn wir als selbsternannte Bomb Busters Veteranen schon so kläglich wie auch frustrierend scheiterten, wie stellt sich die Spielsituation dann für die eigentliche Zielgruppe eines Spiel des Jahres dar? Oder waren wir in unseren bewährten Denkmustern so eingefahren, dass wir schlicht zu unflexibel waren, auf diese neue Herausforderung angemessen reagieren zu können? Werden Familienspieler bei dieser Mission ihr eigenes Bomb Busters einfach mal an die Wand pfeffern und sich lieber wieder Skyjo & Co zuwenden? Wenn Mission 21 schon so schwierig für uns war und den Schwierigkeitsgrad gehörig angezogen hat, wie wird sich das dann erst bei den Missionen fernab der 30 gestalten?
Finale Antworten kann ich Euch keine geben, denn bisher habe ich Bomb Busters soweit möglich immer in Reihenfolge der Missionen gespielt. Mal die eine und andere übersprungen, um dann wieder mal diese nachzuholen. Eben immer so, wie sich die aktuelle Spielrunde in ihren Bomb Busters Erfahrungen und eigenen Missionsfortschritten so zusammengesetzt hat. Deshalb bin ich nach mehr als einem halben Jahr mit Bomb Busters auch noch nicht selbst über die erste Überraschungs-Box hinausgekommen. Deren Abschlussmission fehlt mir noch und deshalb war die Mission 21 auch nur ein kleiner Vorgeschmack, weil ein Mitspieler am Tisch schon weiter war.
Diese Mission 21 war aber ein echter Wachrüttler für mich. Deshalb frage ich mich auch, wie viele von denen, die bisher Bomb Busters in seiner Komplexität auf Boardgamegeek bewertet haben, überhaupt bis zur zweiten Überraschungs-Box gespielt haben? Denn die Trainingsmissionen samt sogenannter Abschlussprüfung kann wirklich fast jeder mitspielen. Im Zweifelsfall langsam aber stetig steigernd Mission für Mission an das Spielprinzip herangeführt. Und wenn es dann doch überfordert, wie in einer Wenigspieler-Runde schon miterlebt, dann belässt man es dabei und spielt lieber gemeinsam etwas anderes. Die Missionen 09 bis 19 der ersten Überraschungs-Box habe ich hingegen als fordernd bis kreativ-innovativ erlebt – manche spannender als andere Missionen, aber alle auf einem Spielniveau, das durchaus schaffbar war. Tja und diese verflixte zweite Überraschungs-Box bot mir dann eine Herausforderung auf einer ganz neuen Ebene.
Deshalb komme ich hier und jetzt zu meiner persönlichen Einschätzung und Meinung, dass Bomb Busters nur sehr eingeschränkt für die Zielgruppe des Spiel des Jahres taugt. Eingeschränkt auf die unteren Missionen, sofern Mission 21 keine krasse Ausnahme und nur ein Einzelfall unserer Überforderung als Vielspieler-Runde war. Dabei bietet das Spiel doch deren 66 Missionen. Sollen und wollen sich Käufer dann wirklich mit den ersten Missionen begnügen, während sich die späteren Missionen an eine ganz andere Zielgruppe richten? Genau in diesem Spannungsfeld ordne ich Bomb Busters daher für mich eher als Kennerspiel ein und deshalb würde es nach meinen Spielerfahrungen besser auf die Nominierungsliste zum Kennerspiel des Jahres 2025 passen.
Ist Bomb Busters damit unverschuldet wie unbeabsichtigt in die Nominierungsfalle der Spiel des Jahres Jury getappt? Für ein Spiel des Jahres dann doch als Gesamtpaket zu anspruchsvoll im Vergleich zu den Mitnominierten, selbst wenn es ein herausragendes Spiel seines Jahrgangs ist. Passt ein Flip 7 oder Krakel Orakel im Direktvergleich der Jury-Entscheidung nicht besser zum Spiel des Jahres?
Meine endgültige Meinung werde ich mir erst bilden können, wenn ich wirklich alle der 66 Bomb Busters Missionen gespielt habe. Wer weiß, eventuell war diese zweite Überraschungs-Box doch nur ein einsamer Ausschlag auf der Komplexitätsskala, um uns allen zu zeigen, dass trainiertes und erprobtes Wissen nicht ewig zum Missionserfolg trägt. Allerdings steht auf der Schachtelrückseite was von „66 Bomben, die immer gefährlicher werden“. Eine Warnung und Versprechen zugleich?
Wer da zu früh urteilt, könnte eventuell mit seiner Gesamteinschätzung gegenüber Bomb Busters mal so völlig falsch liegen. Ich schließe mich da nicht aus, bin aber durch Mission 21 arg verunsichert, was da alles noch kommen wird und mit wem ich das entspannt bis fordernd spielen kann. Aber noch zügel ich meine Neugier und reiße keine der Überraschungs-Boxen vorzeitig auf, sondern bewahre mir das alles für kommende Spielpartien. Ihr auch?