Was waren wir nicht alles schon? Mal strahlender Held und mal einfacher Landwirt. Wir haben die Badezimmerwände des portugiesischen Königspalastes gekachelt und nun betätigen wir uns im Wettstreit erneut an Renovierungsarbeiten. Diesmal zählen allerdings die wertvollsten Ornamente und der passende Werkzeugeinsatz. Als Brettspieler kommt man halt herum.
Der Verlag Deep Print Games liebt Vielfalt. So hat neben dem Expertenspiel Civolution auch das Familienspiel Intarsia dort seinen Platz als 2024er-Neuheit. Steht der Altmeister Michael Kiesling mit seinen inzwischen über 100 Veröffentlichungen als Autor doch für bewährte Qualität. Da macht man nichts falsch, weder als Verlag noch als Spieler. Und so ergab es sich, dass ich die Chance hatte, Intarsia an einem entspannten Sonntagnachmittag auf dem SpieleWahnsinn in Herne kennenzulernen.
Anscheinend in Idealbesetzung, denn über 64 % der Brettspielfreunde auf Boardgamegeek bevorzugen für Intarsia die Spielerzahl 2. Das hat zudem den Vorteil, dass die Konkurrenz klar definiert ist und es auch keine wirkliche Wartezeit zwischen unseren Spielzügen gibt. Mal eben in gut 40 Minuten gespielt, während wir uns am tollen Holzmaterial erfreuen und uns ganz auf den gradlinigen Spielablauf fokussieren konnten. Schon erstaunlich, was derweil die modernen Lasercutter alles für filigrane und passgenaue Spielkomponenten zaubern können.
Wir starten jede der drei Spielrunden mit einer vorgegebenen Anzahl und Mischung von Materialkarten. Welche das genau sind, das bestimmen wir aus einer Kartenauswahl und legen damit auch schon unsere ersten Spielzüge fest. Denn in Folge legen wir in unserem Zug farbgleiche Materialkarten ab, um damit farbgleiche Holz-Ornamente auf unserer persönlichen Fußboden-Ablage einzubauen. Dadurch können wir Werkzeugplättchen beanspruchen, die Zusatzpunkte geben. Für mich waren das fernab jeglicher Thematik allerdings einfach Aufträge, die ich eher als meine Mitspielerin erledigen wollte. Dann ziehen wir Handkarten nach, aber nur in anderen Materialfarben.
So geht das zügig im Wechsel weiter, bis alle nicht mehr an ihrem Parkett arbeiten können. Eine Zwischenwertung gibt Punkte und am Spielende folgt die bekannte Schlusswertung. Alles nicht wirklich neu und deshalb auch nicht überfordernd. Ein schönes wie abstraktes Legespiel, das ich mir gut neben Kaffee und Kuchen vorstellen kann. Den hatten wir auf dem Herner SpieleWahnsinn zwar nicht, trotzdem war unsere Kennenlernpartie ein gutes Spielerlebnis.
Der eigentliche Kniff von Intarsia ist die schrumpfende Kartenhand, weil wir mehr Karten ausspielen als nachziehen. Da zudem nur die Mitspieler eine Unwägbarkeit ins Spiel bringen und ansonsten eine ganze Menge planbar ist, werden dabei auch Optimierfreunde angesprochen. So war unserer Zweierpartie ein ständiges Kopf-an-Kopf-Rennen um die Führung an Siegpunkten. Mal lag meine Mitspielerin vorne, dann konnte ich nachziehen oder sogar kurzzeitig überholen. Dieses direkte Duell brachte Spannung ins Spiel. Am Ende entschieden trotz unterschiedlicher Spielweise nur Nuancen über den Sieg. Bei mir passte es ein wenig besser mit den Aktionsfolgen und so musste ich wiederholt erst später passen und mein Rundenhandwerk den wohl entscheidenden einen Zug später beenden.
Dabei habe ich Intarsia stets als belohnend im Spielverlauf empfunden. Wir bauen eine schön anzusehende Parkettlandschaft mit seinen verschlungenen Ornamenten auf. Alles passt perfekt zusammen, sodass sich ein harmonisches Gesamtbild ergibt. Wir können ansteigende Bonuspunkte abgreifen und erleben einen angenehmen Spielrhythmus, der schon fast etwas Meditatives hatte. Einzig die vom Verlag gewählte Anordnung der Werkzeugplättchen-Auslage wurde für uns zeitweise zum Suchspiel. Dazu die offene Frage, ob es wegen der fehlenden Glückselemente nicht den einen optimalen Weg durchs Spiel gibt, von denen es sich kaum lohnt, in weiteren Partien abzuweichen?
So bleibt unterm Strich ein mindestens grundsolides Spiel, was in seinem Genre alles richtig macht und alle erfreuen könnte, die auch schon an Azul & Co ihren Spielspaß hatten. Da Intarsia allerdings in den Bewertungen weit auseinandergeht und somit polarisiert zwischen „zu trocken, öde und solitär“ bis „bestes Familienspiel mit tollem Material“, empfehle ich Euch eine Probepartie vor dem Kauf. Denn am Ende zählt alleinig, ob Euch persönlich Intarsia gefällt und zusagt und Ihr eine Spielrunde dafür habt, die ebenso tickt. Dann kann auch Parkett verlegen spannend sein. Wer hätte das vorab gedacht?