Wir Brettspieler müssen schon ein paar Luxusprobleme schultern. Da gibt es Ausnahmespiele, die mit einem Spielumfang glänzen, der selbst oder besonders für uns Vielfalt-Spieler kaum zu bewältigen ist. Denn die nächste Neuheit drängt schon auf den Tisch. Aber unvollendete Spiele hinterlassen bei mir kein gutes Bauchgefühl. Bei Euch auch?
Ein echtes Dilemma unserer Überflussgesellschaft. Wir haben die Wahl und können uns die Auswahl auch leisten. Und dann haben so manche Spiele auch noch die Unverschämtheit, mit so einem Spielumfang daherzukommen, der uns zeitlich so bindet, dass es an Überforderung grenzt. Dabei warten doch so viele andere Neuheiten darauf, ebenfalls gekauft und bespielt zu werden. Schließlich ist das Spielehobby ja kein Selbstzweck, sondern bewusst gewählter Zeitvertreib.
In meinem Mitspielerumfeld habe ich gehört, dass dort regelmäßig wie beständig Frosthaven gespielt wird. Und das schon seit Veröffentlichung, was inzwischen auch schon mehr als ein Jahr zurückliegt. Für Brettspieler eine Ewigkeit, sind die Neuheiten aus dem Herbst 2023 für etliche von uns doch eher zu Altlasten geworden, die unbestimmt auf eine nächste Partie hoffen – die meisten Käufe davon wohl vergebens. Da ist so ein Frosthaven mit seinen 100 Szenarien der Kamapgne schon eine Verpflichtung der langfristigen Art. Ich selbst möchte mich nicht so lange einem einzigen Brettspiel verpflichtet fühlen, um es voll und ganz erlebt zu haben.
Warum ich trotzdem Gloomhaven, Kingdom Death Monster, Frostpunk, 7th Continent, Too Many Bones und Earthborn Rangers sowie ISS Vanguard als echte Zeitfresser mitsamt deren ungespielten Erweiterungen im Spieleschrank habe, um nur einige davon unvollständig aufzulisten, das wird auch mir ein ewiges Rätsel bleiben. Haben ist eben besser als vermissen, obwohl ich jetzt schon weiß, dass ich die wenigsten Spiele davon überhaupt jemals komplett durchspielen werde. Mein Bauchgrummeln ist also selbstverschuldet und die richtige Reaktion darauf hieße Verzicht. Welch ein blödes Konzept, meint mein Spielerbauch und überstimmt dabei locker meinen logisch-langweiligen Verstand. Wir wollen doch das Spielerleben in vollsten Zügen genießen!
Und wären diese Spielebrocken nicht genug, gibt es mit Bomb Busters ein Ausnahmetitel, der ganz harmlos als familienfreundliches Deduktionsspiel in entspannt-kooperativen Runden daherkommt, aber dann den Aufdruck „66 Missionen“ auf der Spieleschachtel trägt. Als Versprechen für unendlich langen Spielspaß oder doch eher als Warnung, dass wir eigentlich kein anderes Spiel neben Bomb Busters brauchen werden. Als Krönung liegen uns diese 66 Missionen nicht direkt spielbereit zu Spielerfüßen und zur freien Verfügung. Stattdessen gibt es deren fünf Überraschungs-Boxen, die wir erst öffnen sollen, wenn uns das Spiel dazu auffordert.
Diese erste Aufforderung kommt erst nach erfolgreich absolvierter Mission 8, wenn wir unsere Abschlussprüfung bestanden haben und damit das Grundspiel kennen. Damit sind wir bereit für kommende Missionen, die uns knifflige Details und innovative Herausforderungen bringen und in unseren Weg legen. Dabei ist dieser Weg bis zu Mission 66 noch arg lang. Erst dann werden wir herausfinden, wofür dieser Bomb Busters Papp-Aufsteller überhaupt gut ist. In der Auflistung des Spielmaterials heißt es da nur lapidar: „Macht Euch darüber vorher keine Gedanken. ;-)“. Ja super, ich kann seit dem an fast nichts anderes mehr denken und besonders, was mir dieser verschmitzt grinsender Smiley da verschweigt, bis ich endlich die finale Mission spielen darf.
In Bomb Busters mit seinen 66 Missionen steckt eine Menge an Wiederspielwert drin. Eventuell sogar zu viel? Wohl niemand hätte sich beschwert, wenn dieses Spiel „nur“ 24 Missionen gehabt hätte, die nach den Trainings-Aufgaben alle auf dem Niveau der ersten Überraschungs-Box geblieben wären. Besonders, weil kaum niemand eine Mission nur einmalig spielt. Ich selbst kann gar nicht mehr mitzählen, wie oft ich die Abschlussprüfung des Trainings schon gespielt habe, teils erfolgreich und in anderen Spielrunden dann auch wieder nicht. Aber fast immer dann nochmal, vom Ehrgeiz befeuert, es nun doch gemeinsam zu schaffen.
Wenn dann eine Bomb Busters Experten-Erweiterung mit weiteren 42 Missionen angekündigt worden wäre, ich glaube, ich wäre in Summe zufriedener gewesen. Klar hätte das im Grund für mich nichts geändert, denn die Erweiterung hätte ich sowieso direkt gekauft. Haben ist eben besser als vermissen, kennen wir ja schon. Aber zumindest hätte ich in näherer Zukunft sagen können, dass ich Bomb Busters (das Grundspiel mit seinen 24 Missionen) bezwungen hätte. Ein Wunschtraum, der in diesem Absatz mit zu viel verwendeten Konjunktivformen glänzt und deshalb auch keine Realität geworden ist, mit der wir Brettspieler leben müssen. Unser Bomb Busters hat volle 66 Missionen und wird mich noch eine ganze Weile beschäftigen.


