Wenn der Spatz in der Hand zu wenig scheint und die eigene Neugier obsiegt, dann seid Ihr mittendrin in dem flott gespielten taktischen Bluffspiel von Christian und Laura Kudahl. Der reduziert clevere „Ich teile und du wählst“-Mechanismus lässt jede Entscheidung zum eigenen Spannungsmoment werden. Und schon folgt Schlag auf Schlag die nächste Entscheidung.
Wir stellen in Agent Avenue vergiftete Rekrutierungs-Angebote zusammen, sammeln und vermeiden Sets und lassen unserem Gegenüber in die Auswahl-Falle tappen. Das alles eingebettet in ein thematisches Szenario um tierische Geheimagenten und einer ebensolchen Nachbarschaft, die voller Überraschungen steckt. Fertig ist das Spielgefühl von der 2024er-Neuheit von Nerdlab Games, die in der deutschsprachigen Version von Skellig Games vertrieben werden.
In flott gespielten 15-Minuten-Partien versuchen wir abwechselnd, spielerische Zwickmühlen zu stellen, bei der jede Entscheidung ein Spannungsmoment darstellt. Ist die offen liegende Karte die beste Wahl oder sollte ich doch lieber zur verdeckten Karte greifen, weil die muss ja besser sein – oder gerade eben nicht? Was anfangs wie zufällig und damit chaotisch wirkt, bietet mit etwas Spielerfahrung doch etliche Taktikansätze, die weit über ein triviales „ich denke, dass du denkst“ hinausgehen.
Dabei kommt das kleine wie charmante Kartenspiel mit wenigen Spielkomponenten und noch weniger Spielregeln aus. Ein beeindruckend elegantes Spieldesign, das ich in vielen Spielen heutzutage vermisse. Mehr ist eben nicht zwangsläufig besser. Den Gegenbeweis tritt eindrucksvoll Agent Avenue an. Ein doppelseitiges Spielbrett, zwei Holzfiguren auf einem Rundkurs und ein Stapel von 55 Agenten- und Schwarzmarkt-Karten. Ergänzt durch zwei Übersichtskarten, die alle wissenswerten Regeln enthalten. Ich empfehle zudem matte Kartenhüllen von Gamegenic oder Arcane Tinmen im Standard-Format beizusteuern, um den Kartensatz vor ungewollte Markierungen zu schützen. Die passen dann auch noch bequem in das Inlay der Pappschachtel. Vorbildlich und keine Selbstverständlichkeit.
Wer sich am Grundspiel satt gespielt hat, der kann den Spielplan wenden und mit der Schwarzmarkt-Variante spielen. Bei der liegen drei besondere Karten mit sofortigen oder dauerhaften Fähigkeiten aus. Wer nach seiner Bewegung auf eines der markierten Eckenfelder kommt, muss eine Schwarzmarkt-Karte wählen und ausführen. Damit soll das Spielgeschehen anspruchsvoller und abwechslungsreicher werden. Für mich allerdings noch blanke Theorie, denn in meinen drei gespielten Partien in unterschiedlichen Spielrunden reichte mir die so bezeichnete „Einfache Version“ völlig aus.
Was ich hingegen gespielt habe, das war die Team-Variante. Statt eines direkten Gegenspielers sitzt uns ein 2er-Team gegenüber. Somit sind dann auch Spielpartien zu dritt oder viert möglich. Jedes Teammitglied hat seine eigene Kartenhand und Absprachen über die Karten sind nicht erlaubt. Einzig die Einigung, wer zuerst die offene Karte ausspielt und wer dementsprechend mit der verdeckten Karte folgt, sind möglich. Ebenso kann das andere Team offen diskutieren, welche dieser Karten nun rekrutiert werden sollte. So wird Agent Avenue bedeutend kommunikativer, weil wir mit einem verschmitzten Schmunzeln die ausgesprochenen Gedankengänge des Mitspieler-Teams folgen kann. Gefällt mir und sorgte zudem für einige überraschende High-Five-Momente, wenn ausgetüftelte Pläne funktioniert und ausgelegte Fallen zugeschnappt haben.
Unterm Strich bleibt eine ganze Menge Spielspaß, der in Agent Avenue steckt. Schnell erklärt im Grundspiel und dann einfach mal loszocken uns sich überraschen lassen, was alles so möglich ist. Bei der kurzen Spielzeit bieten sicher Revanche-Partie geradezu an. Für mich ist Agent Avenue deshalb eine absolute Empfehlung, das nicht nur optisch durch die comichaften Illustrationen von Fanny Pastor Berlie glänzt, die mich angenehm an Zoomania erinnern.
Auch spielerisch ganz stark, eben weil es so bewusst reduziert ist und trotzdem allerlei Freiheiten lässt. Deshalb immer gerne wieder und nochmal, um zu ergründen, ob der Spatz nicht doch die bessere Wahl ist. Agent Avenue ist es allemal und zudem auf der Empfehlungsliste zum Spiel des Jahres 2025 gelandet. Zugreifen!