Wir sollen bitteschön schweigen, wenn doch alles in uns innerlich herausschreien möchte, was wir plötzlich für schräge Formen im Linien-Wirr-Warr erkannt haben. Ein kreatives Partyspiel, das uns ausbremst und sich leider auch zu schnell wiederholt. Doch für alles gibt es Lösungen. Was die Redaktion nicht geleistet hat, bessern wir einfach selbst nach.

Auf der SPIEL 2024 in Essen habe ich Krakel Orakel mal so völlig als Neuheit übersehen. Vorgegebene Begriffe zeichnen und dann erraten, das meinte ich schon viel zu oft gesehen haben. Da schienen andere Essen-Neuheiten innovativer und spielenswerter. Deshalb auch noch nicht einmal angespielt vor Ort. Dann kann im März danach das Spieleseminar in Bad Holzhausen. Volle 10 Tage im Kreise von ebenso spielbegeisterten Mitspielern, die alle ihre in eigenen Spielrunden erprobten Messe-Schätze dabei hatten. Dort habe ich Krakel Orakel dann erstmalig kennen und als eines der meistgespielten Spiele dieser spielintensiven Zeit wertschätzen gelernt.

Zwischen zwei Partien Civolution und SETI passte immer noch ein Krakel Orakel. Ebenso gerne als gemeinsamer Absacker am späteren Abend gespielt. Es kam dort täglich mehrmals auf den Tisch und meist in Maximalbesetzung, weil jeder mal und dann immer wieder mitspielen wollte.

Derweil wurde Krakel Orakel zum Spiel des Jahres 2025 nominiert und ist inzwischen in seiner vierten Auflage im Handel. Udo Bartsch hat auf Rezensionen für Millionen das Urteil „reizvoll“ vergeben und Krakel Orakel als „Wohlfühlspiel“ eingeordnet, weil man sich von seinen Mitspielern verstanden fühlt und so eine Assoziations-Verbindung zwischen Gekrakel und den ausliegenden Begriffen schafft. Soweit meine Interpretation seiner Kritik. Die Spiel des Jahres Jury urteilt „Das Kritzeln macht gute Laune“ und bestätigt damit, was ich selbst am Spieltisch erlebt habe. Krakel Orakel ist weiterhin meinem Kauftipp 2025 für alle kreativen Partyspiel-Freunde.

Also alles eitel Sonnenschein im Kritzel-Land? Das wäre schön, aber meine Langzeiterfahrung der letzten Monate in ungezählten Spielrunden mit Krakel Orakel hat doch ein paar Schwächen, Kritikpunkte und Optimierungspotential gezeigt. In Summe dann doch zu viele für einen würdigen Spiel des Jahres Preisträger? Ich bin mir da unsicher, weil am Ende zählt der gemeinsam erlebte Spielspaß und der war jederzeit und in jeder meiner Runden gegeben. Somit mein Meckern auf hohem Niveau eines Vielspielers, der ein gutes Spiel gerne noch besser gesehen hätte.

Gehen wir in die Details und fangen bei der Ausstattung von Krakel Orakel an. Auf den ersten Blick kann ich da wenig meckern, dann zeigten sich allerdings ein paar Schwächen. Die acht beiliegenden Folienstifte haben zwar in ihrer Standardform einen Filzwischer in der Kappe und der taugt ausreichend gut, um blöd gekrakelte Linienteile mal eben schnell zu korrigieren. Das Auswischen der kompletten Zeichentafel ist damit allerdings mühsam und unnötig langwierig. Deshalb meine Optimierungs-Empfehlung einfach vier kleine Whiteboard-Schwämmchen dazu kaufen und beilegen. Die passen auch noch gut in die Spieleschachtel und sorgen dafür, dass Ihr umso flotter in die nächste Krakel-Runde starten könnt.

Zudem hat Krakel Orakel 240 Begriffskarten. Mal ganz neutral betrachtet. Die sind sogar doppelt beschriftet und damit in zwei Schwierigkeitsstufen eingeteilt. Somit stehen uns volle 480 unterschiedliche Begriffe zur Verfügung – von „Hubschrauber“ über „hüpfen“ bis „Geschichte“ ist alles dabei. Vielfalt und Abwechslung für viele Spielrunden, so könnte man meinen. In meiner Spielpraxis haben wir allerdings immer mit den einfachen Begriffen eine Partie gestartet und in größerer Runde von so sechs Mitspielern kommen dann schon 72 der 240 Begriffe auf den Tisch. Entweder als vorgegebene Krakelbegriffe oder als ergänzte Begriffe vom Stapel. Die eine Hälfte haben wir konkret in ihrer grafischen Umsetzung gesehen und die andere Hälfte zumindest vom Begriff.

Nach nur drei solcher Partien haben wir alle Begriffe im Spiel gehabt und inzwischen meine ich, dass ich alle fast alle einfachen Begriffe auch von irgendjemanden schon gekrakelt erblickt habe. Und ganz schnell sind 240 Begriffskarten dann doch nicht so viele. Also in Zukunft lieber direkt mit den weißen Begriffen auf schwarzem Hintergrund in eine Partie starten und sich an „Absturz“ und „Heimweh“ wagen? Ich nehme die Herausforderung gerne an und wechsel notfalls auch auf die Begriffe aus Codenames & Co, um den Spielspaß langfristig erhalten zu können. Denn wenn ich Krakelzeichnungen in ihren schrägen Formen schon mal und erneut gesehen habe, dann ist da ein wenig die Luft raus, weil die freudige Überraschung nicht mehr gegeben ist.

Warum überhaupt sechs Runden bei sechs Mitspielern? Da stimmt doch was nicht. Richtig, wir spielen Krakel Orakel inzwischen in unserer hauseigenen Variante. Der letzte Spieler einer Orakel-Runde darf und soll in seinem Zug offen darüber spricht, warum er einen Begriff ausschließt und wie die verbliebenen Begriffe den Krakel-Zeichnungen zugeordnet werden sollten. So ist die gemeinsame Freude umso greifbarer, wenn jeder den richtigen Titel unter seinem Gemälde sieht und alle diese Runde gewonnen haben. Krakel Orakel braucht eben keine Verlierer. Deshalb lassen wir die Punktezählung einfach weg und freuen uns stattdessen Runde für Runde über Erfolge. Solange bis jeder mindestens einmal der letzte Orakler sein durfte. Oftmals allerdings einfach so lange, bis wir keine Lust mehr haben.

Das spricht für das Spiel, aber leider nicht für die redaktionelle Bearbeitung. Denn nach den Originalregeln ist die Orakel-Phase eine arg schweigsame Angelegenheit. Niemand am Tisch darf eine Regung zeigen, damit kein Mitspieler einzelne Begriffe vorzeitig ausschließt oder anhand der Reaktion zuordnen kann. Schweigen, obwohl wir innerlich wissend schmunzeln und auch mal kurz auflachen, wenn plötzlich aus sinnlosem Linien-Wirr-Warr ein erkanntes Gekrakel wird. Emotionen werden regelgerecht unterdrückt, die doch so gerne kommuniziert und damit kooperativ geteilt werden wollen. Das gefällt mir nicht und nimmt Krakel Orakel auch viel Potenzial, das in diesem Spiel schlummert und nicht redaktionell herausgearbeitet wurde.

Genau deshalb darf bei uns zumindest der letzte Spieler der Orakel-Phase seine Gedanken offen aussprechen. Und genau deshalb spielen wir mindestens so oft, bis jeder am Tisch dieses Erlebnis haben durfte. Erst damit wird Krakel Orakel für uns halbwegs rund. Trotz der angesprochenen Mängel ist der Kern des Spielprinzips allerdings so stark, dass Krakel Orakel auch weiterhin ein Dauergast in meinen Spielrunden ist und bleiben wird.

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