Die Stonemaier Games Neuheit bietet ein verlockend interessantes Spielerlebnis. Allerdings gibt es das storylastige Erkundungsspiel bisher nur in der englischsprachigen Version. Eine Welt voller Text auf unzähligen Karten und in Storyabschnitten. Die will verstanden werden, damit sich bei Euch nicht das Gefühl von frustrierender Beliebigkeit breitmacht, weil Ihr Begriffe und Formulieren ganz anders gedeutet habt.

Sprachhürden sind immer blöd. Da bildet Vantage vom Autor Jamey Stegmaier keine Ausnahme. Das Spiel besteht nun mal hauptsächlich aus Text. Der findet sich hauptsächlich auf den 415 doppelseitigen Ortskarten und den acht Storyheften. Die Ortskarten gewähren Euch einen großformatigen Blick auf die Welt von Vantage – aus Eurem persönlichen Blickwinkel gesehen. Eine Welt voller grafischer Details und Möglichkeiten, die es zu erkunden gilt. Ein kurzer erklärender Satz soll Euch verdeutlichen, was hier gerade passiert. Und eine Liste von sechs möglichen Aktionen geben Euch Optionen, mit dieser Welt zu interagieren. Genau hier stellt sich eine erste Hürde auf.

Die Spielmechanik von Vantage will es so, dass Ihr nur eine der sechs möglichen Aktionen an einem Ort ausführt. Damit soll verhindert werden, dass sich thematische Widersprüche ergeben und ebenso, dass Ihr in typischer Videospiel-Manier alle Optionen nacheinander durchprobiert, um einen Ort mal so richtig abzugrasen und zu nutzen, wenn Ihr schon mal hier seid. Jamey Stonemaier hat dem einen ganz bewusst gesetzten Riegel vorgeschoben. Ihr müsst Euch entscheiden, was Euch an diesem Ort wirklich wichtig ist. Das erhöht zudem auch den Wiederspielwert von Vantage, denn alles erleben, das könnt Ihr in einer in sich abgeschlossenen Spielsession nie.

Allerdings führt diese Spielmechanik auch dazu, dass Eure Aktionen ein gewisses Gewicht haben. Deshalb solltet Ihr abwägen, was Ihr machen wollt. Als fiktives Beispiel, könnt Ihr das Boot versuchen zu stehlen oder den abgewandten Fischer fragen. Ob Ihr nach Kontaktaufnahme mit dem Fischer noch irgendwie in Besitz dieses Bootes kommen könnt, ist völlig unklar, aber durchaus möglich. Diese Ungewissheit und die fehlende völlige Kontrolle über Situationen ist Teil von Vantage. Das müsst Ihr mögen und akzeptieren.

Eure Aktionen und Entscheidungen sind oftmals einmalig und werden Folgen haben. Deshalb solltet Ihr Eure Möglichkeiten auch verstehen und da steckt in nur so halb verstandenen englischsprachigen Begriffen die lauernde Gefahr einer Fehlinterpretation. Aber ich kann doch ganz gut Englisch lesen, sprechen und verstehen, so könntet Ihr entgegnen. Dachte ich für mich auch, aber Vantage hat mich durchaus an die Grenzen meines Sprachverständnisses geführt. Im typischen Business English im Kreise von Nichtmuttersprachlern kann ich mich bewährt bestens verständigen. Allerdings wohl auch nur, weil wir es da gegenseitig bewusst einfach halten, weil es nicht um möglichst fantasievolle Ausdrucksweise geht, sondern um das gemeinsame Verständnis. Vantage hingegen präsentiert uns eine Welt voller Wunder und Besonderheiten und da tauchen dann auf einmal Worte auf, die ich noch gar nicht kannte.

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten: Ihr meint für Euch, das unbekannte Wort schon irgendwie aus dem Zusammenhang erahnen zu können. Schließlich habt Ihr ja noch die Ortsabbildung als Hilfestellung. Oder Ihr unterbrecht das Spiel kurz und schlagt das Wort nach. Smartphones und auch Google Lens als Direktübersetzer per Kamera-Funktion sind da willkommene Helfer. Im ersteren Fall bemerkt Ihr eventuell sogar gar nicht, dass Ihr mit Eurer Wortdeutung daneben lagt, wundert Euch aber über die seltsame Folge Eurer Aktion. Ein „mend“ hat eben doch nichts mit bend oder mind zu tn, sondern bezeichnet ein heilen, flicken oder reparieren. Im zweiten Fall reißt Euch die Unterbrechung eventuell aus dem atmosphärischen Spielgeschehen heraus und Eure Spielpartie überschreitet eine als angenehm empfundene Zeitgrenze und wird träge. Allerdings wird Euch klar, was Ihr da wirklich machen wollt, bevor es dazu kein Zurück mehr gibt.

Beide Alternativen sind nicht optimal. Besser, wenn Ihr Vantage auf Anhieb verstehen könntet. Feuerland bietet im September 2025 eine Vorbestellaktion für die lokalisierte Version. Die wird nach ersten offiziellen Aussagen allerdings erst 2026 erscheinen. „Das Erkundungsspiel in einer offenen Welt enthält einiges an Text und Story“ meint die Feuerland-Redaktion dazu und dem kann ich nur zustimmen. So eine Übersetzung dauert, auch wenn die schon längst angelaufen sind und gut vorankommen. Mehr dazu direkt im Newsbereich der Feuerland-Webseite. Nur wer möchte bis 2026 auf ein Spiel warten, was schon längst in englischer Version verfügbar ist? Und eventuell kommt Ihr ja auch bestens mit den fantasievollen und teils ungewöhnlichen Ausdrucksweisen von Vantage bestens zurecht? Also doch jetzt kaufen oder lieber warten?

Die Entscheidung kann und will ich Euch nicht abnehmen. Deshalb hier konkrete Wort-Beispiele direkt aus Vantage, über die ich bei meiner letzten Partie gestolpert bin. Dank meiner Session-Fotos konnte ich das alles rekonstruieren. Teilweise habe ich den Zusammenhang aber bewusst wage gehalten und manches durch ein neutrales „it“ ersetzt, um Euch hier nicht die Story von Vantage vorwegzunehmen:

  • Gegenstand „Beverage“ = irgendwas selbstgebrautes alkoholisches, ein Gebräu? => Getränk als Oberbegriff, weder selbstgebraut noch zwingend alkoholisch
  • Gegenstand „Circuit Arrows“ = irgend so ein Schaltplan mit Pfeilen? => spezielle Verbindungssymbolik bei Schaltplänen
  • Verb „mend“ = nicht zu verwechseln mit bend oder mind, mir unklar! => heilen, flicken, reparieren
  • Verb „wander“ = wandern, also länger zielgerichtet gehen? => wandern, bummeln, herumlaufen, umherwandern … und damit nicht zwingend zielgerichtet
  • Verb „shatter“ = etwas zerschlagen oder zersplittern? => zerschmettern, zerbrechen, also mit höherem Krafteinsatz zerstören
  • Satzteil „a seething pool“ = keine Ahnung, was der Pool da genau macht! => ein brodelnder oder siedender Pool, was aber auch metaphorisch gemeint sein kann
  • Satzteil „it scuttles along“ = es schlendert daher? => es huscht oder flitzt dahin, also wesentlich schneller als zunächst vermutet
  • Verb „pivot“ = keine Ahnung, gibt es da nicht diese Tabellen? => drehen, wenden oder schwenken, was aber auch symbolisch als „um etwas kreisen“ gemeint sein kann
  • Verb „plead“ = so etwas wie, um etwas bitten? => plädieren, flehen oder, neutraler verwendet, schlicht bitten
  • Verb „hone“ = noch nie gehört oder gelesen! => etwas verbessern oder verfeinern, feinschleifen, vervollkommnen
  • Verb „wade“ = durchs niedrige Wasser waten? => waten, aber auch dazwischenschlagen oder etwas in Angriff nehmen
  • Satzteil „it perches below a tree“ = kriecht unter einem Baum? => es hockt oder sitzt unter einem Baum, kann aber auch thronen heißen

Habt Ihr alles davon auf Anhieb verstanden? Dann sende ich Euch ein bewundernden und auch leicht neidischen Glückwunsch. Ihr seid bereit für Vantage in der englischen Originalversion. Bei mir sieht es anders aus. Trotz 40 Jahre Erfahrung mit der englischen Sprache, beginnend mit dem gelben Langenscheidt Schulwörterbuch und den ersten Textadventures wie „The Pawn“ von Magnetic Scrolls auf dem C64 und danach vielen Filme im O-Ton sowie diverse Fachliteratur, musste ich mir hier eingestehen, dass mein Wortschatz nicht deckungsgleich mit dem von Vantage ist. Wer viel Fantasy in englischer Sprache gelesen hat, sollte hier allerdings seine Vorteile haben.

Ich hingegen habe stattdessen des Öfteren meinem Bauchgefühl vertraut, was das alles genau bedeuten soll und mich dann auf der falschen und damit verfälschten Fährte wiedergefunden. Ein in Folge teilweise frustrierendes, weil als beliebig empfundenes Spielgefühl machte sich so breit. Ohne die Begriffe nachzuschlagen, habe ich halt etwas ganz anderes gemacht, als ich es eigentlich machen wollte. In diese Falle solltet Ihr nicht tappen.

Im Zweifel empfehle ich Euch schlicht, noch etwas Geduld bis zur lokalisierten Version von Vantage aufzubringen. Denn wenn Ihr fernab Solopartien spielt, sollten wirklich alle am Tisch ausreichend gut Englisch vorlesen, aussprechen und verstehen können, auch ohne die Worte selbst sehen und lesen zu können. In Vantage beschreibt und erzählt Ihr Euch gegenseitig Eure Orte, Möglichkeiten und Storyfortschritte. Wenn da Sprachhürden im Weg stehen, dann kann so eine Entdeckungsreise allzu schnell unentspannt werden und in so einer Stimmung wollt Ihr Vantage nicht erleben. Wäre schade um Euer verpasstes Spielerlebnis, das Euch Vantage bieten kann – sofern vollständig verstanden.

Ich selbst werde Vantage weiter mit meiner englischsprachigen Version spielen. Bevorzugt allerdings in Solo-Sessions, weil ich dabei mein eigenes Tempo finden und auch ausreichend nötige Unterbrechungen für Google Lens Übersetzungen setzen kann. Zudem habe ich alle Texte für mich sichtbar vor mir, was meine Sprachhürde mit Vantage enorm verringert. Auf Wunsch gerne auch nochmal in einer Mehrspielerpartie, dann aber mit direktem Hinweis auf die potenziellen Sprachhürden und die nötige Zeit und entspannte Geduld, die so eine Partie einfordert. Sobald die lokalisierte Version verfügbar ist, werde ich allerdings direkt umsteigen. Einfach, um alle sprachlichen Hürden ein für allemal in Bezug auf Vantage abbauen zu können.

2 Gedanken zu „Vantage: Kleiner Sprachtest für Unentschlossene“
  1. Danke für die Richtigstellung. Habe ich korrigiert. Ein prosaischer Text ist entweder in Versform verfasst, allerdings wesentlich geläufiger eher abwertend gemeint. Hier hatte ich eine ganz andere Bedeutung bisher im Kopf und bin genau in diese sprachliche Falle getappt. Dafür schützt (scheinbar oder anscheinend?) selbst die Muttersprache nicht, nur hierbei fällt es anderen eventuell eher auf, was ich da für ’nen Zeugs erzähle.

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