HABA kann mehr als nur ausgezeichnete Kinderspiele. Mit der Point of View Reihe werden gezielt auch erwachsene Mitspieler angesprochen. So finden wir uns auf einem etwas heruntergekommenen Vergnügungspark wieder, blicken aus unterschiedlichen Himmelsrichtungen aufs Geschehen und lösen gemeinsam thematische Rätsel als Detektiv-Team.

Justus Jonas und seine Freunde wären stolz auf uns gewesen. Wir lösen zwar nicht jeden Fall, aber bemühen uns, eine Lösung zu finden, die uns ausreichend überzeugt. Viermal 40 Rätselkarten liegen vor uns. Einzeln verpackt in vier Kapitel aufgeteilt, denen wir uns nicht zwingend in selber Mitspielerrunde stellen müssen. Wechselnde Spieler sind durchaus möglich, da zu Beginn des nächsten Kapitels das Spiel kurz resümiert, was alles bisher passiert ist und was nun ansteht. Im Idealfall sind wir allerdings zu viert, denn wir schauen aus den vier Himmelsrichtungen auf einen Vergnügungspark als Ort des Geschehens.

Jeder von uns hat dazu einen großformatigen aufrecht stehenden Faltplan und deshalb sollten wir auch möglichst an vier Tischseiten sitzen, um nicht zu sehen, was unsere lieben Mitspieler so sehen können. Denn das ist überraschend unterschiedlich. Mal verdeckt ein Baum die Detailansicht auf das, was dahinter sein könnte. Mal schauen wir aus einer höheren oder niedrigeren Perspektive aufs Geschehen. Nicht jeder von uns kann alles sehen. Und hier kommt dann das geforderte Teamwork ins Spiel, denn alleine für uns können wir das Spooky Festival nicht lösen. Schön dabei ist, dass es keine Alphaspieler geben kann, die das Spielgeschehen an sich reißen, sodass sich die Anderen nur noch zurücklehnen können.

Bei Point of View Spooky Festival vom Autor Lukas Bleuel muss hingegen jeder seinen Beitrag leisten. Der gemeinsame Austausch über die wimmelnde Gesamtszene bestimmt das Geschehen und unsere Erfolgsaussichten. Da so viel zu sehen ist, viel mehr als wir jemals beschreiben könnten, ist die eigentliche Herausforderung, sich auf die Wesentlichkeiten zu fokussieren. Und sich dann klar und deutlich mitteilen, was wir selbst zur Lösung beitragen können. Allzu schnell und das habe ich alles schon erlebt, lässt man sich hingegen ablenken oder verliert sich in Nebensächlichkeiten. Zum Glück sind die 40 Rätselkarten in so zwei Stunden gespielt, denn Point of View kann über die Langstrecke durchaus anstrengend werden. Deshalb empfehle ich auch, nach einem Kapitel eine Pause vom Spiel einzulegen und an einem anderen Termin weiterzuspielen.

Zudem solltet Ihr es bei der Detailsuche nicht übertreiben. Weil wenn die Anzahl von roten Fässern gesucht wird, könnt Ihr ewig danach suchen und wisst dann immer noch nicht, ob Ihr doch eines übersehen habt. Oder eben ein Mitspieler von Euch, der scheinbar nicht mit demselben Ehrgeiz ans Werk geht. Die Anleitung gibt den entscheidenden Hinweis: „Point of View soll in erster Linie Spaß machen. Seid ihr bei der Beantwortung von Fragen unsicher? Dann rätselt nur so lange weiter, wie es sich für Euch gut anfühlt. Bevor Frust aufkommt, geht einfach zur nächsten Karte über, lest die richtige Antwort laut vor und nehmt die nicht beantwortete Frage in Kauf.“ Denn wenn Ihr im Übereifer ein Rätsel zerdenkt, gegenprüft und nochmals neu zählt, dann verdoppelt Ihr die angegebene Spielzeit locker und dann trägt das Spielprinzip auch nicht mehr.

Zum Glück sind die reinen Zählrätsel in Spooky Island wesentlich geringer als noch im ersten Teil der Point of View Reihe. Stattdessen geht es hier wesentlich kreativer zu. Es wird eher nach Größenordnungen oder Kombinationen von Aussehen und Handlungen gefragt. Damit gefällt mir Spooky Island auch wesentlich besser als Lost Places, eben weil es viel mehr als ein Suchbild ist und diese Stärke auch intensiver ausspielt. Trotzdem und da solltet Ihr ebenso der Anleitung glauben, braucht Ihr beste Sicht auf Euren Faltplan. Gute Beleuchtung ist eine absolute Notwendigkeit. Da Ihr Euch durch den großformatigen Faltplan selbst Schatten werft, sollte auch Eure Umgebung ausreichend ausgeleuchtet sein. Habt zudem Eure Lesebrille griffbereit und notfalls auch eine Lupe, die heutzutage sowieso jeder in seinem Smartphone dabei hat. Manche Details sind wirklich winzig und das wirkt sich die begrenzte Auflösung der Illustrationen von Marko Müller leider negativ aus. Ist das nun eine graue Mütze oder doch der Haarschopf? Im Zweifel sollten Euch Eure Mitspieler aushelfen, die aus ihrer Perspektive eventuell eine wesentlich bessere Sicht haben.

Unfair war Spooky Festival bisher aber nicht. Alle Rätsel waren nachvollziehbar. Wenn wir etwas falsch beantwortet haben, dann waren wir schlicht selbst Schuld, weil wir zu oberflächlich geschaut oder nicht ausreichend kommuniziert haben, wer jetzt wirklich was sieht und ob das eventuell sogar nicht genau dasselbe Objekt ist. Die Situationen, wo nur einer von uns etwas sehen konnte und die Anderen sich komplett darauf verlassen mussten, waren hier wesentlich seltener. Meist konnten mehrere Mitspieler etwas dazu beisteuern und sich so gegenseitig ergänzen und hinterfragen.

Wer mag, der kann sich die Texte der Rätselkarten auch per App und KI-Stimme vorlesen lassen. Eine gute Alternative, wenn keiner aus der Spielrunde so recht selbst vorlesen mag. Das Spielgeschehen ist schnell erklärt und das allererste Rätsel dürfte Kenner von Point of View Lost Places bekannt vorkommen. Ein gelungener Rückgriff auf alte Rätseltage und ein prima Einstieg ins Spiel. Da Ihr im Spielverlauf keinerlei Material zerschneidet und verknickt oder sonst wie zerstört, könnt Ihr Point of View auch entspannt im Freundeskreis weitergeben. Nur erneut mitspielen ist kaum möglich, wenn Ihr schon vorab alle vier Kapitel kennt und damit auch das Spooky Festival aus jeder Himmelsrichtung einmal gesehen habt. Allerdings sind rund acht Stunden Spielspaß für den Marktpreis von 20 Euro durchaus fair. Wer mag, rechnet sich das mit dem Wiederverkaufswert schön oder vergleicht es mit einem Kinobesuch.

Aus diesen ganzen Gründen hat mir Spooky Festival wirklich gut und auch wesentlich besser als der erste Teil der Point of View Reihe gefallen. Deshalb meine Empfehlung für alle, die mal etwas ganz anderes spielerisch erleben möchten. Ich selbst bin schon gespannt, wie es im zweiten Kapitel auf dem Spooky Festival weitergeht. Gruselig oder gar brutal war es übrigens bisher nicht, allerdings empfinde ich die Altersempfehlung von 12+ Jahren dem Thema angemessen. Detektivarbeit ist eben kein reines Kinderspiel.

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