Die nächsten drei Jahre werden entscheidend für uns sein. Schaffen wir es, uns erfolgreich als neuer CEO von Galactic Cruise zu bewerben oder bleiben wir weiterhin Abteilungsleiter? Am Ende entscheiden unsere Siegpunkte im Vergleich zum Mitspielerfeld. Am Anfang steht ein aussergewöhnlich gut ausgestattetes Eurogame für Experten.
Sprung in die Vergangenheit. Vor einem halben Jahr konnte ich Galactic Cruise auf der Spiel DOCH! 2025 in Dortmund am Messestand vom PD-Verlag kennenlernen. Wir hatten dazu einen Zeitslot von zwei Stunden zur Verfügung, wobei die perfekte Erklärung dort gut eine halbe Stunde gedauert hat und wir anschließend durch die ersten Spielzüge geführt wurden. Nach diesen zwei Stunden hatte jeder von uns ein erstes Raumschiff gestartet und wir hatten rund ein Drittel des Spielverlaufs erlebt, dabei aber alle Spielmechanismen gesehen oder selbst durchgeführt. Damals hat mich die extrem gute Ausstattung der Standardversion mit ihren Trays und der haptisch schön dicken Pappe begeistert. Zudem war der Spielablauf wirklich angenehm und verständlich, weil sich alles thematisch herleiten ließ und damit einprägsam wurde.
Die überlegte grafische Gestaltung von Ian O’Toole mit seinem funktional unaufdringlichen, aber übersichtlichen Look hat damals ebenso dazu beigetragen, dass ich Galactic Cruise anschließend zum vergünstigten Vorbestellpreis von 179 Euro als All-In gekauft habe. Ende Juli sollte das Spiel versandkostenfrei eigentlich ausgeliefert werden, daraus wurde dann Ende September. Was ich da für einen 9 kg schweren Brocken an Spiel bekommen habe, könnt Ihr in den Unboxing-Bildern sehen – klickt Euch durch die 47 Impressionen.
Wer aktuell denselben Umfang an Erweiterungen und Deluxe-Aufwertungen besitzen möchte, muss sich das Grundspiel entsprechend selbst aufrüsten, was in der Summe dann 269 plus Versand kosten würde. Wer hingegen auf der kommenden SPIEL in Essen ist, kann eventuell auf Bundle-Angebote beim PD-Verlag hoffen. Parkt hoffentlich dann in der Nähe, weil 9 kg können arg schwer werden, wenn es über einen Messetag mitgeschleppt wird.
Die deutschsprachige Lokalisierung zeigt sich von seiner perfekten Seite. Weder in der Anleitung noch bei den Spielmaterialien bin ich über krumme Formulierungen oder Fehler gestolpert. Deshalb eine uneingeschränkte Empfehlung von mir und ich sehe keinen Grund, auf die Originalversion auszuweichen. Neben den diversen gedruckten Sachen wie Anleitungen und Übersichten ist Galactic Cruise erstaunlich sprachneutral gehalten. Text im Spiel findet sich nur auf den Agenda-Karten, ausliegende Technologien und bei der Benennung der Raumschiff-Segmente. Trotzdem empfand ich es angenehmer, das alles ohne jegliche Sprachhürden verstehen und spielen zu können.
Euer Erstkontakt mit Galactic Cruise könnte ein wenig überwältigend wirken. Und ich meine nicht die grandiose Ausstattung, sondern den eigentlichen Umfang des Spiels. So hat das Regelheft in Form des großformatigen Schulungshandbuchs volle 48 Regelseiten. Davon sind allerdings nur 18 Seiten nötig, um den Spielablauf für 3 oder 4 Personen zu beschreiben. Das mit vielen Beispielen und zusätzlichen Anmerkungen zur thematischen Einbindung. Trotzdem solltet Ihr Euch ausreichend Zeit dafür nehmen, selbst wenn Ihr im Vorfeld eines der wirklich gut produzierten Erklärvideos angeschaut habt. Dazu später mehr.
Die restlichen Seiten beschäftigen sich mit der Spielmaterial-Übersicht, dem Spielaufbau für das vorgegebene Einführungsspiel oder dem variationsreichem Standardspiel und dem persönlichen Tableau. Dazu gibt es Klarstellungen, Besonderheiten für das 2-Personen-Spiel, die Beschreibung des Solo-Modus und direkt inkludiert die Regeln für die zwei Erweiterungen Errungenschaften und Unterkünfte.
Eine achtseitige Broschüre in Form eines Angestellen-Leifadens steht jedem Mitspieler zur Verfügung, um eine Erinnerungshilfe zu den 12 verschiedenen Aktionen zu geben und Fragen zu beantworten, wie wir Siegpunkte machen können und wie wir an Reputation, Geld, Werbung und Ressourcen kommen und wofür die überhaupt verwendet werden. Dazu noch Übersichten der unterschiedlichen Cockpit-Wertungen, Unternehmensziele, Reiseziele-Aufwertungen, die fünfstufige Startsequenz eines Raumschiffs, die Zugstruktur und eine Checkliste für den Abflug.
Viel Information für ein Eurogame, das sich klar an Experten-Spieler richtet, die diese Informationsmenge mögen und als Herausforderung sehen. Zudem sehe ich die Zielgruppe für Galactic Cruise bei denjenigen, die ausreichend Motivation und Eigeninitiative mitbringen, um diese Übersicht auch während des Spiels zu nutzen. Ansonsten wünsche ich Euch als Erklärer in Erstspielerrunden viel Geduld, wenn Ihr auserkoren werdet, jegliche Nachfrage beantworten zu sollen, obwohl die auch im Angestellen-Leifaden übersichtlich aufgelistet ist. Alternativ mögt Ihr betreutes Spielen, für das Ihr locker über vier Stunden für Eure erste Partie einplanen solltet.
Ist Galactic Cruise einmal aufgebaut, so entfaltet es eine enorme Tischpräsenz. Das Einführungsspiel findet Ihr auf der Rückseite des Spielplans, sodass Ihr etliche Komponenten direkt aufgedruckt vorfindet. Das spart Euch Aufbauzeit. Im Standardspiel werden die Komponenten alle zufällig auf die neutrale Spielplanvorderseite gelegt und ermöglichen Euch somit, dass jede Partie unterschiedliche Unternehmensziele, Technologien und neben anderen Details eine veränderte Anordnung der zwölf Aktionen bietet. Varianz sollte also ausreichend gegeben sein und verhindern, dass Ihr Eure erfolgreich angelesene oder eingeübte Aktionssequenz wiederholt herunterspielt.
Wer die Neoprenspielmatte besitzt, der bekommt passende Aussparungen für die variablen Komponenten, die somit eine Fläche bilden. Allerdings ist der Neoprendruck materialbedingt nicht ganz so scharf wie auf dem Pappspielplan, was ich vernachlässigbar finde, weil dort keine kleingedruckten Texte zu lesen sind. Mit einer Deckschicht verklebtes Neopren hat aber immer einen gewissen Eigengeruch, mit dem Ihr auch hier leben müsst.
Die weiteren Deluxe-Komponenten wir Geld aus Metall und Werbungsmarker aus haptisch schönem und bedruckten Plastik sind zwar hochwertig, aber fürs eigentliche Spiel durchaus verzichtbar. Gleiches gilt für die Kartenhüllen mit bedruckter Rückseite – ob Ihr ungesleevt oder mit Standardkartenhüllen spielt, entscheidet Ihr. Wirklich vermissen werdet Ihr nichts. Das Standardmaterial ist auch so ausreichend hochwertig und hat keinen wirklichen Nachteil in der Nutzung.
Ob Ihr die beiden erhätlichen Erweiterungen Errungenschaften und Unterkünfte zwingend braucht und welche spielerischen Vorteile diese Euch bieten, kann ich selbst noch nicht sagen. Zumindest passen die ausgepackt und einsortiert direkt in die Spieleschachtel des Grundspiels. Ich habe die erstmal getrennt belassen, weil ich ausschließlich das Grundspiel kennenlernen wollte.
Die dritte Erweiterung ist derweil als Kickstarter erfolgreich finanziert worden. Wer die Galactic Cruise Achievements Erweiterung noch vorbestellen möchte, kann dies per Late Pledge nachholen oder wartet auf Aktionen vom PD-Verlag, die eventuell versandkostenfrei sein könnten. Die Auslieferung ist sowieso erst für Herbst 2026 vorgesehen und Kickstarter exklusives Zeugs gibt es auch nicht. Ihr könnt also höchstens auf einen eventuell vergünstigten Vorbestellpreis hoffen. Ich warte da entspannt ab, bis ich das Grundspiel mit den ersten beiden Erweiterungen ausreichend bespielt habe und entscheide dann, wie oft Galactic Cruise Ende nächsten Jahres noch auf den Tisch kommen könnte, um die ganzen Achievement-Module der dritten Erweiterung freizuspielen.
Was bleibt unterm Strich als Ersteindruck für mich übrig: Galactic Cruise bietet optisch und haptisch wie auch spielmechanisch eine ganze Menge. Im spielerischen Kern ist es ein klassisches Eurogame mit Ressourcen für den Raumschiffbau, Aufträge in Form von persönlichen Reiserouten und allgemeinen Unternehmenszielen, die wir im friedlichen Wettstreit erreichen wollen. Dafür gibt es etliches an Optimierungspotential und die Herausforderung, die Balance zwischen Vergünstigungen und Siegpunkte bringenden Aktionen zu halten.
Ein Expertenspiel, das allerdings auch seine Spielzeit pro Partie braucht, um die Vielfalt der Möglichkeiten auszuschöpfen. Das sollte Euch klar sein. Die angegebenen 150 Minuten halte ich nur für möglich, wenn wir alle Galactic Cruise ausreichend gut kennen. Ein Brocken von Spiel vergleichbar wie SETI, aber unter der Komplexität eines modernen Lacerda wie On Mars. Direkt konfrontative Aktionen mit Hau-Drauf-Faktor gibt es nicht. Wir schnappen uns höchstens begehrte Reiserouten und Blaupausen weg, während wir uns im zentralen Workerplacement gerne verdrängen und zurück in unseren Pausenraum schicken lassen. Hier dominiert die positive Interaktion. Gefällt mir, weil holt damit viele Mitspieler ab.
Die einzelnen Spielzüge sind zudem flott gespielt, sofern und nachdem man die Zusammenhänge erstmal verstanden hat. Meine Erstpartie hat mir gefallen und deshalb gerne mehr davon, auch weil ich jetzt schon weiß, was ich alles besser machen kann. Wie es mir dabei ergangen ist, berichte ich demnächst.















































Anmerkung: Die Neopren-Spielmatte oben im Bild (vorletzter Bilderblock, letztes Bild dort) sah so wellig nach dem ersten Auspacken aus. War eben gerollt. Hat sich aber nach wenigen Stunden plan gelegen. Ich habe die trotzdem in anderer Richtung aufgerollt, mit der Bedruckung nach außen, um da gegenzurollen. Aufrollen ist zudem nicht ganz einfach, weil die fast aus mehr Löcher im Vergleich zur eigentlichen Matte besteht und sich deshalb gerne wieder aufrollen wollte, wenn ich die in die (zu dünne) Plastikhüllle zurückstecken wollte. Auf Dauer werde ich die in meiner blickdichten Spielmatten-Papprolle mit anderen Neopren-Matten lagern und mit Textilbändern verschnürt transportieren. Bis dahin hat sich dann hoffentlich auch der Kleber-Neopren-Geruch etwas entspannt.