Es gibt Brettspiele, die funktionieren einfach. Die sind nicht wirklich schön, aber auch weit davon entfernt, hässlich zu wirken. Wir spielen so vor uns hin und mal wieder nur indirekt interaktiv, eben weil wir denselben Plättchenvorrat auf dem Spielplan in der Mitte zwischen uns beanspruchen. Trotzdem puzzeln wir die meiste Zeit für uns alleine eine möglichst optimale Auslage zusammen.

Den Überraschungsnominierten zum Kennerspiel des Jahres 2025 konnte ich bisher in zwei verschiedenen Spielrunden mitspielen. Hatte ich selbst mal so gar nicht auf der Rechnung und als Spiel völlig übersehen und auch vorab nirgendwo auf einem der Spieltische in meiner Nähe gesehen. Und hätte ich dort Neuland gesehen, ich wäre wohl Schulter zuckend und nicht wirklich interessiert weitergezogen. Denn Neuland sieht nicht spektakulär aus. Eher ein wenig bieder in seinen Tarnfarben in diversen Grünschattierungen. Die Tischpräsenz ist eher mäßig und wäre es nicht von der Spiel des Jahres Jury in meinen Aufmerksamkeitsfokus gerückt, ich hätte es wohl nur mitgespielt, wenn niemand nichts anderes aufm Tisch bringen wollte.

Du bist eben keine Schönheit, vor Arbeit ganz grau … ne grün! Dabei ist Neuland wirklich eine ehrliche Haut und verbauen könnt Ihr Euch ebenso. Als vielseitiges Strategiespiel mit wertigem Material preist Game Factory ihren Achtungserfolg an. Die Autoren Charles Chevallier und Laurent Escoffier kennen wir eventuell noch von Abyss und Loony Quest. Zwei Spiele, die ich ewig nicht mehr gespielt habe und schnell in der Versenkung des Vergessens verschwunden sind. Neuland könnte es in meiner Wahrnehmung genauso gehen.

Nach meinen zwei gespielten Partien könnte ich eigentlich einen Haken dahinter machen. Jo, alles gesehen und verstanden und ausprobiert, was so möglich war und mit dem Erfahrungsvorsprung aus meiner Erstpartie konnte ich die zweite Partie gegen Erstspieler erfolgreich dominieren. War nur fast schon peinlich, wie perfekt alles bei mir zusammenpasste. Neuland will erstmal begriffen werden, wie man sein persönliches Plättchenraster optimal auslegt, um Geländekarten gleich mehreren Aufträgen zuordnen zu können. Wer sich überschneidende Plättchenmuster baut und entsprechend vorausplant, der macht auch ordentlich Punkte. Das war es dann auch.

Das alles spielte sich sehr gefällig. Euphorie am Spieltisch sieht allerdings für mich anders aus. Besonders wenn Optimierer mit am Tisch sitzen, weil dann kann sich so eine Spielpartie mit Neuland schon weit über die angedachten 40 Spielminuten ziehen. Wir sind eben reihum an der Reihe und da will schon gut überlegt sein, was man gerne wohin bei sich legen möchte und wohin man sich dafür auf dem gemeinsamen Spielplan ausbreiten muss. Währenddessen hoffe ich nur, ob meine Alternativpläne B oder wenigstens C noch in Erfüllung gehen können, bis ich wieder selbst aktiv ins Geschehen eingreifen kann.

Dazwischen schaue ich nur zu und wenn es mal wieder länger dauert, dann fange ich an, mich zu langweilen. Schade eigentlich, denn ich strebe stets nach Spielspaß. Da trägt die Hoffnung auf Plan B oder Plan C dann doch nicht ausreichend Spannung für mich mit. Deshalb rate ich von der Vollbesetzung von vier Spielern ab und tendiere eher zu zwei bis drei Spieler. Es sei denn, Ihr seid Glückspilze, die sich über flott spielende Mitspieler freuen können, die eine Erstpartie nicht zwingend zerdenken müssen.

Während wir beim Originaltitel Looot, der nur echt mit drei langgezogenen „O“s daherkommt, fleißig Ressourcen sammeln und Gebäude besetzen, heißt das Motto in der lokalisierten Version schlicht anlegen, ausbreiten und aufbauen. Mir sagt Looot von seinen Bildern im Kopf, die das Spiel bei mir erzeugt, mehr zu. Der deutschsprachige Eurogame-Markt mag es eher braver, da können die so bezeichneten Wikinger auf der Schachtel noch so grimmig und entschlossen schauen. Den Begriff „Schildmaid“ unterschlägt uns die Spielanleitung, obwohl die hier im Mittelpunkt steht.

Mit strategischer Weitsicht und taktischer Finesse wollen wir zum größten Jarl unserer Zeit werden. Wie oft wir allerdings der beste skandinavische Adlige und Heerführer werden, liegt ganz alleine an Eurer Vorliebe für Plättchen-Legespiele mit solitärem Puzzle-Faktor. Nur gut ist dann leider für mich fast schon zu wenig, um gegen die Vielzahl von überragenden anderen Spielen bestehen zu können. Wenn es allerdings unbedingt jemand spielen möchte, ich verweigere mich nicht völlig. Denn eigentlich macht Neuland vieles richtig und wenig falsch, nur wirklich aufregend ist das Gebotene dann doch nicht. Genau deshalb bleibt es für mich weit im Windschatten von Endeavor: Die Tiefsee zurück.

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