Aus. Ende. Vorbei. Die SPIEL ist mal wieder Geschichte und zurück bleiben Erinnerungen an ein Event, das für mich als Brettspielfreak ein ganz spezieller Höhepunkt des Jahres ist. Dieses Jahr habe ich sehr selektiv Neuheiten gekauft und mitgenommen – auch etwas, was ich nicht unbedingt wollte.
Vier Besuchertage auf der SPIEL und dann noch den Pressetag vorab, das ist schon Reizüberflutung pur. Besonders in Zeiten von 1700+ Neuheiten. So dass mir im Vorfeld schon klar war, dass ich da längst nicht alles sehen und anspielen werde können, was mich interessiert. Denn schon die Vorselektion empfand ich als Herausforderung für sich selbst. Beim Betrachten der Neuheitenliste auf Boardgamegeek war es für mich kaum möglich, potentiell interessante Spiele von nur mäßigen zu unterscheiden. So wurde meine „Schau ich mir mal an“-Liste eher vom spontanen Emotionen bestimmt: Spricht mich die Schachtelgrafik an, gefällt mir das Thema, klingen die Mechanismen interessant? Nur ist keines davon ein tragfähiges Kriterium für ein gutes Spiel.
Wobei ich „gutes Spiel“ relativieren muss. Denn eigentlich sind inzwischen fast alle Spiele mindestens gut – zumindest für die eine Person, die genau danach gesucht hat. Die Produktionsstandards sind inzwischen so hoch, dass alle Spiele auf ihre Art gut aussehen. Und wenn nicht, dann ist da eventuell sogar ein gewolltes Alleinstellungsmerkmal. Ob die Mechansimen dann was taugen und das Thema trägt, das ist noch eine ganze andere Frage. Eine Frage, die ich persönlich nur durch Anspielpartien herausfinden kann.
Somit wurde jede Anspielpartie auf der SPIEL zur Lotterie. Habe ich hier eine persönliche Niete gezogen oder ein Glückstreffer gelandet? In fast alles Fällen fand ich die Neuheiten gut. Tja, nur gut reicht eben für mich nicht mehr aus, wenn zu Hause ungezählte sehr gute Spiele warten, die sowieso viel zu wenig aufm Tisch kommen.
Dazu kam, dass ich in meinen letzten 33+ intensiven Spielejahren schon ausreichend viele Mechanismen gesehen und gespielt habe, so dass es immer schwieriger wird, mich zu überraschen oder zu begeistern. Alles irgendwann schon mal erlebt, nur mit einem anderen Thema, das auf den ersten Blik interressant scheint, aber dann doch nur wieder dünn gepinselte Deckschicht ist.
Für Neueinsteiger in das Hobby Brettspiele leben wir hingegen in den besten Zeiten. Alles wirkt neu, selbst wenn es 20 Jahre alt ist. Alle Genres und Nischen werden bedient. Die Auswahl ist riesengross und fast alles davon ist mindestens gut. Somit bin ich als satter Sammler und inzwischen wieder viel mehr nur Spieler (ich brauche nicht alles selbst besitzen, ein Mitspielen reicht mir oft) leider viel zu anspruchsvoll geworden und schwafel dann was wie „Ist ja wie Schotten-Totten, nur unnötig komplizierter. Da zeigt sich die Autorenkunst von Herrn Knizia mal wieder, ein Spiel aufs Wesentliche zu reduzieren und eben nicht aufzublähen.,“ Wer die Neuheit Evil Corp gespielt hat, kann mein Geschwafel eventuell einordnen.
Genau deshalb ihat sich mein persönliches Interesse auf Neuheiten verschoben, die vor allem ein Thema erzählen und das auch spielmechanisch auskosten. Gerne opulent ausgestattet und gerne ebenso schwergewichtig, ohne kompliziert zu werden, Deshalb bin ich bei Hegemony (schon vor der Messe angespielt), Weimar (nur intensiv darüber informiert) sowie Voidfall (mein einziges neues Eurogame der Messe) hängengeblieben. Sehr speziell und absolut keine Empfehlung für Jeden. Im Gegenzug habe ich ganz viele angespielte Messe-Neuheiten, die ich in den Vorjahren sicher gekauft hätte, einfach liegen gelassen. Aber jeder ist da anders und das ist auch gut so, dass so viele Perspektiven auf den Neuheiten-Markt existieren.
Fernab dieser Schwergewichte haben mir vor allem zwei Neuheiten gefallen: From the Moon, das allerdings erst im Frühjahr 2024 erhältlich sein wird. Sowie – und bitte jetzt nicht lachen – Dorfromatik Das Duell. Ersteres spielte sich für ein komplexes Eurogame erstaunlich flott in seinem Spielerzug. Letzteres macht genau alles besser, was mich persönlich an Dorfromantik gestört hat. Endlich kann ich mein eigenes Dort bauen, bin aber im Wettstrreit mit meinem Mitspieler. Und wenn ich ein zweites Exemplar kombiniere, dann sogar in entspannter Viererrunde. Zumal jedes neue Plättchen für mich eine Geschichte erzählt wie von dem Holzfäller, der idyllisch am Waldesrand lebt und aus dem nahen Fluss alles findet, was er so braucht – Nahrung und Wasser.
Darüber hinaus habe ich ganz viele kleine und große Erlebnis auf der SPIEL 23 genießen können. Von der Überwindung von Kommunikationshindernissen. Von engagierten Erklärern und ansteckend begeisterten Autoren und etlichen Audio-Mitschnitten. Mehr davon nach einer kurzen Verschnaufpause in den kommenden Tagen.
Verschnaufpause deshalb, weil ich für mich den Messe-Sonntag leider ausfallen lassen musste. Auf der SPIEL gibt es nicht nur tolle neue Spiele, sondern auch ganz viele neue Viren, die mein Körper noch nicht kannte – ausgewachsene fiebrige Männergrippe mitgenommen. Wenn ich hier also zu viel Mist erzählt habe, dann liegt es daran, dass ich im Halb Delirium meine Gedanken einfach herauspurzeln lasse.